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Ploetzlich Vater

Ploetzlich Vater

Titel: Ploetzlich Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Ragan
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dass er sie in seine starken Arme schloss und über sie herfiel.
    Entsetzt schlug sie die Hände vors Gesicht.
    Als er sie vom Boden hochgezogen hatte, war ihm das Wort „BEDAUERN“ in Großbuchstaben ins Gesicht geschrieben gewesen.
    Sie schaute sich hilfesuchend in seiner Wohnung um. Was sollte sie jetzt tun? Sie musste hier raus, und zwar schnell. Sie griff nach ihrer Handtasche, die auf dem Couchtisch lag, verließ seine Wohnung und zog leise die Tür hinter sich zu. Ihr stiegen Tränen in die Augen, als ihr klar wurde, dass sie sich furchtbar zum Narren gemacht hatte.
    „Mom“, sagte sie, als sie ihre Wohnung betrat. Sie zwang sich zu einem Lächeln, nahm ihre Mutter in die Arme und drückte den starren, knochigen Körper an sich. Der süßliche Geruch ihres Parfüms war überwältigend, und es kostete sie große Mühe, nicht in unkontrolliertes Husten auszubrechen.
    Sandy saß mit Ryan auf dem Schoß in Jills Lieblingssessel, während Lexi zu ihren Füßen mit je einem Stift in beiden Händen eifrig ihr Malbuch bearbeitete.
    Jills Blick wanderte zu ihrem Vater. Er wirkte fehl am Platz auf ihrem limettengrünen Sofa. Doch merkwürdigerweise sah er genauso aus wie immer: derselbe maßgeschneiderte Anzug, dasselbe gestärkte Hemd und derselbe enttäuschte Ausdruck auf dem Gesicht. Er würde in diesem Jahr sechzig werden. Sein Haar war dicht und zeigte kaum eine Spur von Grau. Es lag perfekt wie immer. Wenn er nicht immer so verstimmt aussehen würde, hätte man ihn als attraktiven Mann bezeichnen können.
    „Was war das, was ich dort drüben zu sehen bekommen habe?“, fragte er. Seine Stimme war so steif wie die Körperhaltung ihrer Mutter.
    Jill seufzte. „Ich dachte, du wüsstest es.“
    „Ich wüsste was?“
    „Ich habe Mom doch erzählt, dass ich mit Derrick Baylor zusammen bin, dem Quarterback der Condors.“
    „Sie hat es erwähnt“, entgegnete ihr Vater. „Er ist Sportler. Ich hätte wohl nichts anderes erwarten sollen, als dich in kompromittierender Position auf dem Boden seines Schlafzimmers zu finden. Wie es aussieht, versteht ihr euch ja außerordentlich gut.“
    Jill spürte, wie ihr Hitze ins Gesicht stieg. „Ja, das tun wir“, log sie. „Aber was du dort drüben gesehen hast, war nicht das, was du denkst. Derrick hat Knieschmerzen, ich habe ihm in sein Schlafzimmer geholfen, er ist gestolpert, wir sind aufs Bett gefallen, und dann ist der Rahmen gebrochen …“
    „Hör auf, mir irgendwelche Lügenmärchen zu erzählen“, unterbrach er sie. „Deine Mutter hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass du endlich erwachsen geworden bist. Ich bin erst seit einer Stunde in Kalifornien, und es ist schon jetzt überdeutlich, dass sich überhaupt nichts geändert hat. Ich bin sehr enttäuscht von dir.“
    Jill reckte ihr Kinn. „Es tut mir leid, dass du so denkst“, sagte sie, doch die Wahrheit war, dass sie all das schon tausendmal gehört hatte. Sie war immer eine große Enttäuschung für ihren Vater gewesen. Zwar hatte er sie vorher noch nie in einer so peinlichen Situation erwischt, aber das änderte auch nichts daran. Zumindest war ihre jüngere Schwester Laura nicht mitgekommen. Sie liebte ihre Schwester, doch der Druck, den ihre Eltern auf sie ausübten, so wie Laura zu sein, war zu viel für Jill. Sie liebte ihre ganze Familie, doch die drei schafften es immer wieder, dass sie sich klein und unwürdig fühlte. Ihr Vater hatte keine fünf Minuten gebraucht, um alle ihre alten Unsicherheiten wieder zum Vorschein zu bringen.
    „Ich habe mehr als einen wichtigen Termin abgesagt, um hierherzukommen“, unterbrach ihr Vater ihre Gedanken. „Wir wollten dich und dein Baby unterstützen …“
    „Dein Enkel heißt Ryan“, unterbrach sie ihn.
    „Doch jetzt ist mir klar“, fuhr er unbeeindruckt fort, „dass es reines Wunschdenken war zu glauben, dass du endlich eine verantwortungsbewusste junge Frau geworden bist.“
    „Ich muss los“, sagte Jill, Sekunden bevor es an der Tür klopfte. „Herein“, rief sie.
    „Hollywood!“, kreischte Lexi, als Derrick das Zimmer betrat.
    Derrick lächelte Lexi an. Als er hereinkam, war kein Humpeln mehr zu sehen. Er schaute sich im Zimmer um und streckte ihrem Vater die Hand entgegen. Doch ihr Vater wollte nichts mit ihm zu tun haben und ignorierte die Geste. Er war ein Snob, so einfach war das.
    Derrick ließ den Arm wieder fallen und ging zu ihrer Mutter hinüber. Diese war so entgegenkommend wie ein Holzklotz, aber immerhin schaffte sie

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