P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben
David.
»Logisch – alles andere wäre religiös«, unterstützte ihn Sally.
»In diesem Fall«, nahm Chung den Faden auf, »war die Transaktion die Übergabe von Zeus’ Samen in Ledas Eierstock. Eine Ur-Transaktion, die dann die ganzen genetischen Transaktionen auslöst und zu einer anderen Ur-Transaktion, der Geburt, führt.«
Damit waren alle einverstanden.
Chung führte uns zum christlichen Altarbild und erklärte uns die einschlägigen Symbole. Es stellte sich heraus, dass er selbst einmal Christ gewesen war, und zwar Protestant. Seine Familie war in den fünfziger Jahren den Baptisten beigetreten.
»Ich bin jetzt Agnostiker«, ließ er uns wissen, »die protestantische Ethik überzeugt mich nicht mehr. Ich mache kein religiöses Shopping mehr, ich bin auch da Selbstversorger. Buddhismus, Sufismus, Schamanismus, das ist doch alles modischer Quatsch. Ich bin ein überzeugter Chungist, Chung ist Chung!« Er lachte über seinen Scherz.
Chungs Museum bestand aus einer Folge von großzügigen Salons, wo man immer wieder auf anderen Sofas, Diwanen, Sesseln und Fauteuils Platz nehmen konnte. Ich sah Vitrinenschränke voller alter und wertvoller Bücher, eine Münzsammlung, sumerische Zylindersiegel, Glasskulpturen.
Als wir im modernen Salon auf Ledersofas niedergesunken waren, hörte ich ein trockenes, schleifendes Geräusch hintermir auf dem Marmorboden. Der schwarze Leguan – nicht tot – war uns gefolgt und näherte sich nun unserer Polstergruppe.
»Ja, komm her, Irma«, sprach ihn Chung an, »das ist Irma, sie ist ein Weibchen.«
Sie war nun bei seinen Füßen angelangt.
»Und woran erkennt man, dass es ein Weibchen ist?«, wollte Joe wissen.
»An ihren Gesichtszügen, sie sind weicher als bei Männchen.«
Ich hatte etwas Mühe, an diesem schuppigen, stacheligen Reptilienkopf etwas Weiches zu entdecken. Was mir aber auffiel, war Irmas Ähnlichkeit mit Chung: Auch er hatte einen kleinen, ledrigen Kopf, kleine, dunkle Äuglein, einen fast lippenlosen, breiten Mund, einen runzligen Hals.
»Komm, Irma, komm zu Pappi!«, rief Chung. Und das Tier kroch tatsächlich auf seinen Schoß und ließ sich am Hals kraulen.
Chung lehnte sich vor und holte eine Cherry-Tomate aus einem Schälchen auf dem Glastisch.
»Da, ein leckeres Tomätchen für unsere kleine Irma. Ja, brav.«
Das Tier öffnete das Maul, biss die Hälfte ab und fraß dann den Rest.
»Sie sind völlig harmlose Pflanzenfresser – wie übrigens ich selbst auch.«
Es war klar, dass bei einem Footprint von 0,3 nicht einmal eine Faser Fleisch drin lag. Sogar ein übersehener Wurm in einem Apfel konnte die Bilanz beeinträchtigen.
Irma schien sich auf Chungs Schoß absolut wohlzufühlen. Allerdings starrte sie uns vorwurfsvoll an.
»Es wäre schön gewesen, hier einen kleinen Zoo aufzubauen«, erklärte Chung, während er seine Irma streichelte, »ein paar Krokodile, Tiger, Kamele und dergleichen. Aber das würde das Ökosystem hier zu stark strapazieren. Tiger haben immense Footprints – Pawprints – bei ihrem Fleischkonsum. Außer man fütterte sie mit Menschen, da käme man sogar auf einen negativen Footprint. Ha, ha! Und sohabe ich nur einige einheimische Tiere um mich: Leguane, Schildkröten, einen Papagei. Keine Katzen, die gehören nicht hierher.«
Ich starrte auf den de Kooning an der Wand gegenüber: Hatte ich ihn nicht vor einigen Wochen noch in Lutzens Gutshaus gesehen?
Eine Angestellte, in weißem Leinen wie Chung selbst, brachte vegetarische Platten und Früchte. Ich mochte die Kokosnusskroketten am liebsten. Auch die Avocados waren köstlich.
»Jeden Morgen und Abend gehe ich unten in der Bucht schwimmen«, berichtete Chung, während er Irma einen Happen zukommen ließ, »es gibt auch einen schönen Spazierweg zur nächsten Bucht. In Gustavia lasse ich mich nicht blicken. St. Barth war einmal schwedisch, wusstet ihr das?«
Einige von uns wussten es, andere wiederum hatten ihr Leben ohne dieses Wissen mehr schlecht als recht gefristet.
»Es gibt noch eine lutherische Kirche in Gustavia. Man hisst die schwedische Flagge. Die Bevölkerung stammt aber aus der Normandie – wie Georgette, meine Köchin. Ich habe fixe Mahlzeiten abgeschafft, ich esse immer, wenn ich gerade etwas Hunger habe. Das ist viel gesünder. Eigentlich habe ich mich Irma angepasst. Die ist auch sehr gesund und munter.«
Munter?
Er zeigte uns Irmas Trick. Auf sein Zeichen huschte sie hinüber zur Giacometti-Skulptur, kletterte daran hinauf und verharrte
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