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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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das. Ich kann ihn ja nicht einem Examen unterziehen.«
    »Irgendetwas muss er ja sein.«
    »Genau, irgendetwas müssen wir sein.«
    Park Chung-oh stellte sich als ein absolut charmanter Gastgeber heraus. Er war klein und drahtig, etwa 75 Jahre alt, fit und sonnengebräunt, trug alte Shorts und ein löchriges T-Shirt. Er war barfuß, fand alles lustig und lachte folglich die ganze Zeit.
    Seine Villa war riesig. Überall hingen großflächige de Koonings, dazu ein paar Rothkos, Pollocks, Warhols und Picassos. Klobige Keramikstücke standen herum.
    »Das ist ein minoischer Pithos«, erklärte er und zeigte auf einen mannshohen Krug, »da hat man früher Olivenöl drin aufbewahrt.«
    Er hatte einige Dutzend kykladische Idole, einen bemalten Holzaltar aus dem fränkischen Hochmittelalter, Igbo-Masken, geschnitzte Paddel von Fiji, einen Alberto Giacometti,aztekische Jadeschädel, einen ägyptischen Schreiber aus poliertem grünen Granit, Maya-Stelen, El-Fayum-Portraits, damaszenische Säbel, hellenistische sogdische Buddhas, die üblichen bunten Tang-Pferde.
    Bevor uns Chung durch sein Privatmuseum führte, hatte man uns auf einer Terrasse Gerstentee und diverse Säfte serviert. Wir wurden ihm vorgestellt. Er erkundigte sich nach unserer Fahrt, dem Wetter, das wir gehabt hatten. Auf einer Kommode entdeckte ich einen etwa einen Meter langen ausgestopften schwarzen Leguan, ein prächtiges Exemplar mit langen Zehen und zierlichen Krallen.
    Sally und David beschrieben ihm die ökologischen Features der
Sirena
, worauf Chung sich mit den noch ökologischeren Features seiner Villa revanchierte.
    »Ich habe hier einen Footprint von 0,3«, sagte er stolz. Er führte ein absolut abfallfreies Leben in geschlossenen Kreisläufen, meistens barfuß.
    Seine Flüge zwischen Korea, New York, Singapur und St. Barth sowie die Ökobilanzen seiner Werften verschwieg er wohl nur aus Höflichkeit. Auch die graue Energie, die in seinen ökologischen Features steckte und seine Bilanz über Jahrzehnte hinaus ruinierte. Geschäfte wurden überhaupt nicht erwähnt, es gab nur Philosophie, Kunst und Ökologie.
    »Zwischen Sokrates und dem Taoismus gibt es frappierende Parallelen«, klärte uns Chung auf, »aber darauf brauche ich dich, Hyazinth, ja wohl nicht hinzuweisen.«
    Ich hatte mich als Hyazinth-Paul Meier-Lehmann vorgestellt.
    »Es sind beides axiale Philosophen«, bestätigte ich seine Vermutung.
    Es war wunderschön, dass mich nun jemand ganz selbstverständlich Hyazinth nannte. Meine Crew-KollegInnen hielten inzwischen ihre Gesichtsmuskeln tapfer unter Kontrolle.
    David parlierte: »In einigen Jahrzehnten erleben wir ja wieder eine axiale Wende.«
    »Wer weiß«, sagte Chung, »vielleicht stecken wir schon mittendrin. Ich bin sogar fast sicher, dass wir mitten drinstecken. Man muss nur die Zeichen lesen können. Der Dollar zerkrümelt, die Kapitalverwertung stagniert, der Ressourcenverbrauch stößt an seine Grenzen. Das Wachstum, so wie wir es kannten, ist zu Ende. Nur Verrückte und Ökonomen glauben, dass es auf einem endlichen Planeten unendliches Wachstum geben kann.«
    »Wirtschaftliches Wachstum«, schaltete sich Alma ein, »künstlerisches Wachstum ist immer noch möglich.«
    »Allein schon darum, weil niemand weiß, was Kunst ist«, warf ich ein.
    »Ich weiß es«, wehrte sich Joe, »Kunst besteht darin, eine Lammkeule sauber auszubeinen.«
    »Eine Lammkeule?«, fragte Chung, der verdutzt aus seiner biologischen Leinenwäsche guckte.
    »Oder einen Schweinsrücken. Auch ein schönes Rindsfilet herauszuschneiden, braucht Geschick.«
    »Wo stellst du aus?«, fragte Chung ernsthaft.
    Wahrscheinlich dachte er an den Typen, der Tiere und Menschen in Formalin präpariert als Kunstwerke verkaufte.
    »Momentan arbeite ich für mich selbst und meine Freunde«, versetzte Joe schmunzelnd.
    »Schade, schade. Aber sicher wird Alma dir mit ihren Beziehungen helfen können, ein größeres Publikum zu erreichen.«
    »Ich bin schon daran«, sagte diese.
    »Wir wollen aber nicht über Geschäfte reden«, lenkte Chung ab und erzählte uns, wie er via Privatinternet – er nannte es Chungnet – sein Wirtschaftsimperium leitete.
    »Ich reise nicht mehr. Ich ertrage es schlecht. Ich kann alles von hier aus machen. Was mir fehlt, ist jedoch nichtvirtuelle Kunst und Kultur, darum habe ich mir meine kleine Sammlung angelegt. Wenn ich nicht mehr zur Kunst kommen kann, muss eben die Kunst zu mir kommen. Ist auch viel ökologischer.«
    Er lachte

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