Poirot Rechnet ab
vorhabe.
»Wir gehen zu dem Häusermakler, Hastings. Ich habe den großen Wunsch, eine Etage in Montague Mansions zu mieten. Wenn ich mich nicht irre, werden dort verschiedene interessante Dinge passieren.«
Wir hatten mit unserer Nachfrage unerwartet Erfolg. Nummer acht im vierten Stock sollte für zehn Guineas die Woche möbliert vermietet werden. Poirot schloss sofort für einen Monat ab. Draußen auf der Straße beruhigte er mich.
»Aber es ist doch schließlich mein Geld! Warum soll ich mir nicht einen Spaß erlauben? Übrigens, Hastings, haben Sie einen Revolver?«
»Ja – irgendwo«, antwortete ich etwas gereizt. »Denken Sie etwa …«
»Dass Sie ihn brauchen werden? Schon möglich. Die Idee reizt Sie, wie ich sehe. Das Romantische gefällt Ihnen doch immer gut.«
Am nächsten Tag installierten wir uns in unserem neuen Heim. Die Wohnung war gut eingerichtet. Sie hatte dieselbe Lage in dem Gebäude wie die der Robinsons, nur lag sie zwei Stockwerke höher. Der Tag nach unserem Einzug war ein Sonntag. Am Nachmittag ließ Poirot die Wohnungstür angelehnt und rief mich hastig, als von unten ein Türschlagen zu hören war.
»Sehen Sie doch mal über das Treppengeländer. Sind es Ihre Freunde? Passen Sie auf, dass man Sie nicht bemerkt.«
Ich streckte meinen Kopf über das Geländer.
»Sie sind’s«, bestätigte ich flüsternd.
»Gut. Warten wir noch ein wenig.«
Nach ungefähr einer halben Stunde kam eine junge Frau in schicker und farbenfroher Kleidung heraus. Mit einem Seufzer der Erleichterung ging Poirot auf Zehenspitzen in die Etage zurück.
» C’est ç a. Nach dem Herrn und der Gnädigen das Mädchen. Jetzt müsste die Wohnung eigentlich leer sein.«
»Was tun wir denn jetzt?«, fragte ich unsicher.
Poirot war schnell in den Abstellraum gegangen und zog an dem Seil des Kohlenaufzugs.
»Wir lassen uns wie die Kohlenkästen hinunter«, erklärte er freundlich. »Wir werden ganz ungestört sein. Das Sonntagskonzert – der Sonntagsnachmittagsspaziergang und schließlich der Sonntagsschlaf nach dem Sonntagsmittagessen in England – le rosbif –, all das wird die Aufmerksamkeit von Hercule Poirots Unternehmungen ablenken. Kommen Sie, mein Freund.«
Er stieg in den hölzernen Aufzug. Ich folgte ihm eilig.
»Brechen wir in die Wohnung ein?«, fragte ich zweifelnd.
»Nicht gerade heute«, lautete Poirots wenig tröstliche Antwort.
Am Seil hängend glitten wir langsam nach unten, bis wir den zweiten Stock erreichten. Poirot äußerte sich entzückt, als er bemerkte, dass dort die Tür in den Abstellraum offen war.
»Sehen Sie? Diese Türen werden am Tag nicht abgeschlossen, und dabei könnte jedermann, so wie wir, hinauf- oder hinuntersteigen. Bei Nacht schließt man sie vielleicht zu – ja –, zwar auch nicht immer –, aber jedenfalls wollen wir dagegen Vorkehrungen treffen.«
Während er sprach, hatte er einige Werkzeuge aus seiner Tasche genommen und machte sich emsig an die Arbeit; sein Plan war, den Riegel so zu manipulieren, dass er vom Kohlenlift aus zurückgezogen werden konnte. Diese Operation dauerte nur drei Minuten. Dann steckte Poirot die Werkzeuge wieder ein, und wir stiegen hinauf in unsere Wohnung.
Den ganzen Montag war Poirot aus. Als er am Abend wiederkam, warf er sich mit einem Seufzer der Erleichterung in seinen Stuhl.
»Hastings, soll ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen? Eine Geschichte ganz nach Ihrem Geschmack, die Sie an Ihren Lieblingsfilm erinnern wird?«
»Los damit«, lachte ich. »Ich nehme ja an, dass es sich um eine wahre Geschichte und keines Ihrer Fantasiegebilde handelt.«
»Wahrer könnte Sie kaum sein. Inspektor Japp von Scotland Yard bürgt dafür, und durch seine freundliche Vermittlung kam sie mir zu Ohren. Hören Sie, Hastings! Vor etwas mehr als sechs Monaten wurden einige wichtige Marinepläne aus einer amerikanischen Dienststelle gestohlen. Sie waren einer Reihe ausländischer Regierungen wichtig – zum Beispiel der japanischen. Der Verdacht fiel auf einen jungen Mann namens Luigi Valdarno, ein Italiener von Geburt, der in der betreffenden Dienststelle einen unbedeutenden Posten innehatte; er verschwand zur gleichen Zeit wie die Pläne. Ob nun Luigi Valdarno der Dieb war oder nicht, jedenfalls wurde er zwei Tage später im Osten von New York erschossen aufgefunden. Die Pläne hatte er nicht bei sich. Nun war Luigi Valdarno in der letzten Zeit öfter mit einer Miss Elsa Hardt gesehen worden, einer jungen Konzertsängerin, die
Weitere Kostenlose Bücher