Poirot Rechnet ab
das Taxi ein, und Poirot gab dem Fahrer eine Adresse in St. Johns Wood an. Jetzt war ich völlig durcheinander. In Anwesenheit unseres Gefangenen mochte ich Poirot nicht fragen, wohin wir fuhren. Vergeblich versuchte ich etwas Licht in die Sache zu bringen.
Wir hielten an der Tür eines kleinen Hauses, das etwas abseits von der Straße lag. Ein heimkehrender Bummler, leicht betrunken, schlurfte über das Pflaster und stieß fast mit Poirot zusammen, der ihn kurz anfuhr, doch vermochte ich dem Wortwechsel nicht zu folgen. Alle drei gingen wir die Stufen zum Haus hinauf. Poirot läutete und gab uns Zeichen, beiseite zu treten. Niemand kam, er läutete erneut, dann ergriff er den Türklopfer und pochte stürmisch.
Plötzlich ging ein Licht über der Tür an, und diese selbst wurde vorsichtig einen Spaltbreit geöffnet.
»Was, zum Teufel, wollen Sie?«, hörte man eine ziemlich ungehaltene männliche Stimme fragen.
»Ich will den Arzt sprechen. Meine Frau ist krank.«
»Hier ist kein Arzt.«
Der Mann machte Anstalten, die Tür zu schließen, aber Poirot setzte schnell seinen Fuß dazwischen. Plötzlich wurde er wütend, so richtig französisch wütend.
»Was sagen Sie da, hier ist kein Doktor? Ich verlange Ihre gesetzliche Hilfe. Sie müssen kommen! Ich bleibe einfach hier und läute und klopfe die ganze Nacht.«
»Mein lieber Herr…« Die Tür wurde wieder geöffnet, ein Mann in Morgenmantel und Pantoffeln kam heraus, um Poirot zu beruhigen, und warf einen unsicheren Blick um sich.
»Ich rufe die Polizei.«
Poirot schickte sich an, die Treppe hinunterzugehen. »Nein, um Gottes willen, lassen Sie das!« Der Mann rannte hinter ihm her.
Poirot gab ihm einen kleinen Stoß, sodass er beinahe die Treppe hinunterfiel. In der nächsten Sekunde waren wir drei im Haus, schlugen die Tür zu und verriegelten sie.
»Schnell – hier herein.« Poirot führte uns in das nächste Zimmer und drehte das Licht an. »Und Sie – «, er deutete auf den Italiener, »hinter den Vorhang.«
»Si, Signore«, erwiderte dieser und glitt schnell hinter die Falten eines rosafarbenen Samtvorhanges vor dem Fenster. Keine Minute zu früh. Gerade als er dahinter verschwunden war, stürzte eine Frau ins Zimmer. Sie war groß mit rötlichem Haar und zog einen roten Kimono enger um ihre schlanke Gestalt.
»Wo ist mein Mann?«, schrie sie und warf schnelle, furchtsame Blicke um sich. »Wer sind Sie?«
Poirot kam mit einer Verbeugung auf sie zu.
»Ich hoffe, Ihr Mann wird sich nicht erkälten. Immerhin hatte er Pantoffeln an den Füßen und einen warmen Morgenmantel an.«
»Wer sind Sie? Was tun Sie in meinem Haus?«
»Es ist leider, leider wahr, dass keiner von uns das Vergnügen hat, Sie zu kennen, Madame. Das ist umso bedauerlicher, weil einer von uns dreien speziell aus New York gekommen ist, um Sie zu treffen.«
Die Vorhänge wurden auseinandergeschlagen, und der Italiener kam heraus. Zu meinem Entsetzen hielt er meinen Revolver in der Hand, den Poirot ohne Zweifel im Taxi weggelegt haben musste.
Die Frau stieß einen schrillen Schrei aus, drehte sich um und traf Anstalten zur Flucht; aber Poirot postierte sich vor der geschlossenen Tür.
»Lassen Sie mich vorbei«, schrie sie. »Er wird mich ermorden.«
»Wer hat Luigi Valdarno umgelegt?«, fragte der Italiener heiser und fuchtelte mit der Waffe herum, dass mir ganz schlecht wurde. Wir wagten kaum, uns zu bewegen.
»Lieber Gott, Poirot, das ist ja schrecklich. Was sollen wir tun?«, schrie ich.
»Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie aufhören wollten, so viel zu reden, Hastings. Ich versichere Ihnen, dass unser Freund nicht schießen wird, bevor ich es sage.«
»Sind Sie davon so überzeugt?«, rief ich mit einem Kloß im Hals. Das war mehr, als ich ertragen konnte. Wieder wandte sich die Frau an Poirot.
»Was wollen Sie?«
Poirot verbeugte sich.
»Ich halte so viel von Miss Elsa Hardts Intelligenz, dass ich kaum glaube, darüber noch Worte verlieren zu müssen.«
Mit einer schnellen Bewegung ergriff die Frau eine große, schwarze Stoffkatze, die zum Zudecken des Telefons benützt wurde.
»Sie sind im Futter eingenäht.«
»Geschickt«, murmelte Poirot anerkennend. Er gab die Tür frei. »Guten Abend, Madame. Ich werde Ihren Freund aus New York hier festhalten, bis Sie sich davongemacht haben.«
»Idiot!«, brüllte der Italiener, hob den Revolver und feuerte direkt auf die Frau, die hinauslief, während ich mich auf ihn warf. Aber die Waffe klickte nur
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