Poirots erste Fälle
Waverly nicht schwer sein, das Kind in seinem eigenen Wagen an einen sicheren Ort zu bri n gen.«
»Aber was ist mit dem Hund?«, fragte ich. »Und w a rum hat Miss Collins gelogen?«
»Das war nur ein kleiner Scherz von mir. Ich fragte sie, ob es im Haus Spielzeughunde gebe, und sie sa g te Nein. Aber es gibt sie – im Kinderzimmer. Mr Wave r ly hat nämlich ein paar ins Priesterversteck gelegt, damit Joh n nie sich die Zeit vertreiben konnte und ruhig blieb.«
»Monsieur Poirot!« Mr Waverly betrat den Raum. »H a ben Sie etwas entdeckt? Haben Sie einen A n haltspunkt, wohin man den Jungen g e bracht hat?«
Poirot reichte ihm einen Bogen Papier. »Hier ist die A d resse.«
»Aber das ist ein leeres Blatt.«
»Weil ich hoffe, dass Sie die Adresse aufschreiben.«
»Was zum…« Mr Waverlys Gesicht wurde hochrot.
»Ich weiß alles, Monsieur. Und ich gebe Ihnen vierun d zwanzig Stunden Zeit, den Jungen zurückzubri n gen. Ihr Einfallsreichtum wird sicherlich groß genug sein, das Wiederauftauchen des Kindes zu e r klären. Andernfalls wird Mrs Waverly den genauen Ablauf der Erei g nisse erfahren.«
Mr Waverly sank in einen Sessel und vergrub das G e sicht in den Händen. »Er ist bei meiner alten Kinde r frau, ungefähr zehn Me i len von hier. Er ist glücklich und wird gut versorgt.«
»Das bezweifle ich nicht. Wenn ich nicht glaubte, dass Sie im innersten Herzen ein guter Vater sind, w ä re ich nicht bereit, Ihnen noch eine Chance zu geben.«
»Der Skandal…«
»Eben! Sie tragen einen alten, ehrenvollen Namen. Ri s kieren Sie so was lieber nicht wieder… Guten Abend, Mr Waverly. Ach, ü b rigens einen kleinen Rat: Kehren Sie auch immer in den Ecken.«
Das Abenteuer des Kreuzkönigs
» D ie Wahrheit«, bemerkte ich, indem ich die Tägliche Run d schau beiseitelegte, »ist seltsamer als Dichtung!« Das war vielleicht keine orig i nelle Bemerkung. Jedenfalls schien sie meinen Freund zu ärgern. Der kleine Mann neigte seinen eifö r migen Kopf zur Seite, klopfte ein nicht vorhandenes Stäubchen von seinen sorgfältig gebüge l ten Hosen und erklärte:
»Wie tiefsinnig! Was für ein Denker ist doch mein Freund Ha s tings!«
Ich schluckte meinen Ärger über diese unnötige Stich e lei hinunter und tippte auf die Zeitung, die ich we g gelegt hatte.
»Haben Sie die Morgenzeitung gelesen?«
»Jawohl. Und nach dem Lesen habe ich sie symme t risch zusammengefaltet und nicht einfach auf den Boden g e worfen, wie Sie es mit Ihrem beklagenswerten Mangel an Ordnung und Methode taten.«
(Das ist das Schlimmste bei Poirot. Ordnung und M e thode sind seine Götter, und auf sie führt er alle seine Erfolge zurück.)
»Dann haben Sie also den Bericht über den Mord an dem Impresario Henry Reedburn gelesen. Daher me i ne Bemerkung. Nicht nur ist Wahrheit seltsamer als Dic h tung – sie ist auch dramatischer. Man ste l le sich nur die Oglanders vor, diese solide englische Familie der Mitte l klasse: Vater, Mutter, Sohn und Tochter; typisch für Ta u sende von Familien im ganzen Land. Der Famil i envater fährt jeden Tag in die City; die Frau sieht im Haus nach dem Rechten. Ihr Leben ist äußerst friedlich und völlig monoton. Gestern Abend saßen sie da nun in dem o r dentlichen Salon ihrer Vorstadtvilla Daisymead in Streatham und spielten Bridge. Plötzlich, ohne jegliche Warnung, werden die Glastüren nach dem Garten aufg e rissen, und eine Frau taumelt ins Zimmer. Auf ihrem grauseidenen Kleid leuchtet ein purpurroter Fleck. Sie ä u ßert nur das eine Wort: MORD! und sinkt bewusstlos zu Boden. Sie erkennen – wahrscheinlich von den Ze i tungsbildern her –, dass es Valerie Saintclair ist, die b e rühmte Tänzerin, die London kürzlich im Sturm erobert hat!«
»Ist das Ihre eigene Beredsamkeit oder die der Tä g lichen Run d schau?«, fragte Poirot.
»Die Tägliche Rundschau stand kurz vor dem Druck und begnügte sich mit den nackten Tatsachen. Aber die dr a matischen Möglichkeiten dieser Geschichte fi e len mir sofort auf.«
Poirot nickte gedankenvoll. »Menschliche Natur und Drama sind eng miteinander verquickt. Aber – denken Sie daran! – Dr a ma ist nicht immer da vorhanden, wo man es vermutet. Immerhin bin ich an dem Fall intere s siert, da ich höchstwahrscheinlich hinzugezogen we r de.«
»Wirklich?«
»Ja. Ein Herr telefonierte heute Morgen und kündigte mir den B e such des Prinzen Paul von Mauranien an.«
»Aber was hat denn der damit zu tun?«
»Sie lesen wohl Ihre netten, kleinen
Weitere Kostenlose Bücher