Poirots erste Fälle
wie wir es nennen. Man sieht es von der anderen Seite des Hauses.«
»Es kommt mir sehr merkwürdig vor, dass niemand g e sehen haben will, wie der Wagen in den Park fuhr.«
»Es gibt da ein altes Wegerecht und eine Zufahrt zu e i ner K a pelle. Es fahren ziemlich viele Wagen bei uns durch. Der Mann muss sein Auto an einer günstig gel e genen Stelle abgestellt haben und genau dann zum Haus gelaufen sein, als wegen des Landstreichers Alarm geg e ben wurde und wir alle abgelenkt waren.«
»Es sei denn, er war bereits im Haus«, überlegte Po i rot laut. »Wo könnte er sich versteckt haben?«
»Nun ja, wir haben das Haus vorher natürlich nicht gründlich unte r sucht. Es schien nicht nötig zu sein. Er hätte sich schon irgendwo ve r stecken können, aber wer hätte ihn hereinlassen so l len?«
»Davon später. Erledigen wir eines nach dem and e ren, gehen wir methodisch vor. Gibt es im Haus kein beso n deres Versteck? ›Waverly Court‹ ist ein altes Gebäude und da gibt es manchmal Geheimka m mern, in denen sich zur Zeit der Katholikenverfolgung Priester ve r steckten.«
»Bei Gott, ein solches Priesterversteck existiert tatsäc h lich! Man betritt es durch eine Geheimtür in der Täfelung der Halle.«
»Ist diese Tür in der Nähe der Ratsstube?«
»Unmittelbar daneben.«
»Voilà!«
»Aber außer meiner Frau und mir weiß niemand e t was davon.«
»Tredwell?«
»Er könnte davon gehört haben.«
»Miss Collins?«
»Ich habe das Versteck ihr gegenüber nie erwähnt.«
Poirot dachte eine Weile nach.
»Nun, Monsieur, als Nächstes muss ich mir ›Waverly Court‹ ans e hen. Ist es Ihnen recht, wenn ich heute Nachmittag hinausko m me?«
»So bald wie möglich, bitte, Monsieur Poirot!«, rief Mrs Wave r ly. »Hier, lesen Sie das noch einmal.«
Sie drückte ihm die letzte Nachricht des Entführers in die Hand, die die Waverlys am Morgen erhalten hatten und die der unmittelbare Anlass für sie gewesen war, Po i rot sofort aufzusuchen. Sie enthielt gut durchdachte und sehr genaue Anweisungen für die Geldübergabe und schloss mit der Drohung, dass der Junge jeden Verrat mit dem Leben bezahlen werde. Es war deutlich zu me r ken, dass die Liebe zum Geld mit Mrs Waverlys Mutterliebe im Streit lag, Letztere jedoch immer mehr an Boden g e wann.
Poirot hielt Mrs Waverly noch einen Augenblick z u rück, nac h dem ihr Mann gegangen war.
»Sagen Sie mir bitte die Wahrheit, Madame. Teilen Sie das Vertra u en Ihres Gatten in Butler Tredwell?«
»Ich habe nichts gegen ihn, Monsieur Poirot, ich kann mir auch nicht vorstellen, wie er in diese Sache verwickelt ist, aber – nun ja, ich habe ihn nie gemocht. Nie!«
»Noch etwas, Madame, können Sie mir die Adresse der Kinde r schwester Ihres Sohnes geben?«
»Netherall Road 149 in Hammersmith. Sie vermuten doch nicht…«
»Ich vermute nie etwas. Ich lasse nur die kleinen grauen Zellen für mich arbeiten und manchmal – manchmal h a be ich eine kleine Idee.«
Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, kehrte Poirot zu mir zurück.
»Madame hat den Butler nie gemocht. Das ist intere s sant, nicht wahr, Hastings?«
Ich ließ mich nicht aufs Glatteis führen. Poirot hat mich schon so oft getäuscht, dass ich jetzt auf der Hut bin. Irgendwo gibt es bei ihm immer eine Überr a schung.
Nachdem er sorgfältig Toilette gemacht hatte, br a chen wir zur Netherall Road auf. Wir hatten Glück und trafen Miss Jessie Withers zuhause an. Eine Frau mit einem freundlichen Gesicht, ungefähr fün f unddreißig, tüchtig und selbstsicher. Ich konnte nicht glauben, dass sie mit dem Fall etwas zu tun hatte. Sie war bi t terböse über die Art und Weise ihrer Entlassung, gab jedoch zu, dass sie im Unrecht gewesen sei. Sie war mit einem Maler und Dekorateur verlobt, der zufällig in der Nachbarschaft gearbeitet hatte, und war hinausgelaufen, um ihn zu tre f fen. Das schien mir eine durchaus natürliche Sache zu sein. Ich konnte Poirot nicht ve r stehen. Alle Fragen, die er stellte, kamen mir so b e langlos vor. Sie drehten sich hauptsächlich um den Tagesablauf auf »Waverly Court«. Ich langweilte mich und war froh, als Poirot sich vera b schiedete.
»Ein Kind zu entführen, ist eine einfache Sache, mon ami«, stel l te er fest, während er in der Hammersmith Road einem Taxi winkte. Er wies den Fahrer an, uns zur Waterloo Station zu bri n gen. »Dieses Kind hätte in den letzten drei Jahren an jedem Tag, den Gott we r den ließ, ohne Schwierigkeiten gekidnappt werden
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