Poirots erste Fälle
sich bemerkbar machen. Aber wie? Ein Zeitungsjunge ist am besten. Durch ein gr o ßes Trinkgeld macht sie einen tiefen Eindruck auf ihn. Außerdem sorgt ihre Bemerkung über das Mädchen des Titelblattes dafür, dass er sich die Farbe ihres Mantels gut einprägt. Hinter Weston wirft sie das Me s ser zum Fenster hinaus, um die Stelle zu markieren, an der das Verbr e chen mutmaßlich stattgefunden hat. Dann zieht sie sich um oder knöpft einen langen Regenmantel über das a n dere Ensemble. In Taunton steigt sie aus und kehrt mit dem nächsten Zuge nach Bristol zurück, wo ihr Kompl i ce schon das Gepäck zum Gepäckraum geschafft hat. Er händigt ihr den Gepäc k schein aus und fährt selber nach London. Sie spielt ihre Rolle zu Ende, wartet auf dem Bahnsteig die Züge ab, sucht sich ein Nach t quartier im Hotel und kehrt morgens nach London zurück, genau, wie sie es e r zählt hat.
Als Japp von seiner Expedition zurückkam, bestätigte er alle meine Schlüsse. Er erwähnte auch, dass ein wohl bekannter Dieb die Juwelen verkaufe. Ich wusste zuerst nicht, wer es war. Aber er musste das G e genteil von dem Manne sein, den Jane Mason b e schrieben hatte. Als ich hörte, dass es Rot-Narky war, der stets mit Gracie Kidd arbeitete, na, da wusste ich, wo ich zu suchen hatte.«
»Und der Graf?«
»Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr war ich überzeugt, dass er nichts mit der Sache zu tun ha t te. Mord ist ein gr o ßes Risiko, und der Graf trägt seine Haut nicht gern zu Markte. Das würde seinem ganzen Chara k ter widersprechen.«
»Ja, Monsieur Poirot«, sagte Halliday, »ich stecke tief in Ihrer Schuld, und der Scheck, den ich nach dem Essen ausschreiben werde, kann auch nicht ann ä hernd meine Dankesschuld begle i chen.«
Poirot lächelte bescheiden. »Der gute Japp soll nur die Lorbeeren ernten. Er ist gerannt, ich habe das Rennen gemacht!«
Die Pralinenschachtel
E s war eine schlimme Nacht. Der Wind heulte bösartig und Regenböen peitschten an die Fen s terscheiben.
Poirot und ich saßen am Kamin und streckten die Beine dem pra s selnden Feuer entgegen. Zwischen uns stand ein kleiner Tisch. Auf meiner Seite dampfte ein sorgfältig zubereiteter Grog, neben Poirot eine Tasse mit dicker, gesüßter Schokolade, die ich für hundert Pfund nicht getrunken hätte. Poirot schlürfte an dem dicken braunen Gebräu in der rosafarbenen Porzellantasse und seufzte vor Zufriedenheit.
»Quelle belle vie!«, murmelte er.
»Ja, die gute, alte Welt ist in Ordnung«, stimmte ich zu. »Da bin ich, habe eine Stellung – und eine gute Stellung dazu. Und da sind Sie, berühmt…«
»Oh, mon ami!«, protestierte er.
»Aber Sie sind es! Und das mit gutem Recht! Wenn ich an die lange Reihe Ihrer Erfolge zurückdenke, muss ich wirklich staunen. Ich gla u be, Sie wissen nicht einmal, was Misserfolg ist.«
»Wer das von sich behauptet, muss schon ein mer k würdiger Kauz sein!«
»Nein, im Ernst – haben Sie je versagt?«
»Unzählige Male, mein Freund. Was wollen Sie? La bo n ne cha n ce – das Glück, es kann nicht immer auf Ihrer Seite sein. Ich wurde zu spät gerufen. Sehr oft erreichte ein anderer, der de m selben Ziel zustrebte, dieses Ziel vor mir. Zweimal wurde ich ausgerechnet in dem Auge n blick krank, in dem ich kurz vor der Lösung stand. Man muss die Tiefen wie die Höhen hinnehmen, mein Freund.«
»Das habe ich eigentlich nicht gemeint«, sagte ich. »Ich meinte, ob es je einen Fall gab, bei dem Sie sich durch Ihre eigene Schuld völlig geschlagen geben mussten.«
»Ah, ich verstehe. Sie möchten wissen, ob ich mich einmal bis auf die Knochen blamiert habe, wie man so schön sagt? Einmal, mein Freund…« Ein leises, nac h denkliches Lächeln huschte über sein G e sicht. »Ja, einmal habe ich mich zum Narren gemacht.«
Plötzlich richtete er sich in seinem Sessel auf.
»Ich weiß, mein Freund, dass Sie über meine kleinen Erfolge Buch geführt haben. Jetzt können Sie Ihrer Sammlung eine weitere Geschichte hinzufügen – die G e schichte eines Misserfolgs.«
Er beugte sich vor und legte ein Scheit auf das Fe u er. Nachdem er sich mit einem kleinen Tuch, das n e ben dem Kamin an einem Nagel hing, sorgfältig die Hände abg e wischt hatte, lehnte er sich zurück und begann mit seiner Erzählung.
»Was ich Ihnen jetzt berichte« – sagte Monsieur Po i rot –, »trug sich vor vielen Jahren in Belgien zu. Und zwar zu jener Zeit, als sich in Frankreich Kirche und Staat heftig bekämpften. Paul
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