Poirots erste Fälle
da.‹
›Wer?‹
›Monsieur de Saint Alard, der in Frankreich Pauls Nachbar war. Und ein englischer Freund: John Wi l sons.‹
›Sind die beiden noch hier?‹
›Wilson – ja, aber Saint Alard ist gestern abgereist.‹
›Und wie sieht Ihr Plan aus, Mademoiselle Me s nard?‹
›Wenn Sie etwa in einer halben Stunde zu uns k ä men, hätte ich mir inzwischen eine Geschichte z u rechtgelegt, um Ihre Anwesenheit zu erklären. Am be s ten wäre wohl, wenn ich behauptete, Sie hätten irgendetwas mit der Ze i tung zu tun. Ich werde sagen, Sie kämen aus Paris und hätten ein Empfehlung s schreiben von Monsieur de Saint Alard gehabt. Mad a me Déroulards Gesundheit ist stark angegriffen. Sie wird kaum auf Einzelheiten achten.‹
Unter dem von Mademoiselle wirklich geschickt ausg e dachten Vorwand gelangte ich also ins Haus, in dem ich mich nach einem ku r zen Gespräch mit der Mutter des verstorbenen Abgeordneten, einer imposanten, aristokr a tischen Frau, die offensichtlich sehr krank war, frei und unbeobachtet bewegen konnte.
Ich frage mich, mein Freund (fuhr Poirot fort), ob Sie sich auch nur annähernd vorstellen können, wie schwierig meine Aufgabe war? Ein Mann war drei T a ge zuvor plötzlich gestorben. War es bei diesem Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen, so schien nur eine einzige Möglichkeit denkbar – Gift. Doch ich hatte keine Gel e genheit gehabt, die Leiche zu sehen, und es war mir auch nicht möglich zu untersuchen oder zu analysieren, wie ihm das Gift gegebenenfalls verabreicht wo r den war. Es gab keine Spuren, an die ich mich halten konnte – weder falsche noch andere. War der Mann vergiftet worden? War er eines natürlichen Todes gestorben? Ich, Hercule Poirot, musste das entscheiden und ich ha t te nichts, was mir dabei helfen konnte.
Zuerst unterhielt ich mich mit den Hausangestellten und ko n struierte mit ihrer Hilfe den betreffenden Abend. Besonderes Augenmerk legte ich auf das E s sen und die Art, wie es serviert worden war. Die Suppe hatte Déro u lard persönlich aus der Terrine ausg e schenkt. Danach hatte es Koteletts und Huhn geg e ben, zum Schluss Kompott. Und alles war von Mons i eur selbst ausgeteilt worden. Der Kaffee kam in einer großen Kanne. Kein einziger Hinweis, mon ami! Unmöglich, einen ei n zelnen Esser zu vergiften, man hätte unweigerlich alle getötet!
Nach dem Essen zog sich Madame Déroulard in ihre Räume z u rück, Mademoiselle Virginie begleitete sie. Die drei Männer gi n gen in Déroulards Arbeitszimmer. Dort unterhielten sie sich eine Zeit lang angeregt, bis der A b geordnete plötzlich zu Boden stür z te. Saint Alard lief hinaus und bat François, sofort einen Arzt zu rufen. Er habe gesagt, es sei zweifellos ein Schlaga n fall, erzählte mir der Diener. Aber als der Arzt kam, war dem Patienten nicht mehr zu helfen.
John Wilson, dem ich von Mademoiselle Mesnard vo r gestellt wurde, war ein typischer Engländer, mittl e ren Alters und sehr stämmig. Sein Bericht in einem sehr brit i schen Französisch deckte sich im Wesentl i chen mit dem des Dieners.
›Déroulard wurde sehr rot, dann fiel er um.‹
Mehr war von ihm nicht zu erfahren. Als Nächstes suchte ich den Ort der Tragödie auf, das Arbeitszi m mer, in dem man mich allein ließ, weil ich darum e r suchte. Bisher hatte ich nichts entdeckt, was Mademoiselle Me s nards Theorie erhärtet hätte. Ich konnte daher nur a n nehmen, dass sie sich täuschte. Offenbar war sie in Déroulard verliebt gewesen und nicht imstande, die E r eignisse unvoreingenommen zu sehen. Trotzdem durc h suchte ich das Arbeitszimmer peinlich genau. Es war durchaus möglich, dass jemand eine Injektionsspritze in Déroulards Sessel versteckt hatte und das tödliche Gift auf diese Weise in seinen Körper gelangt war. Der winz i ge Einstich wäre gewiss unen t deckt geblieben. Doch ich fand nichts, was diese Theorie unterstützt hätte. Mit e i ner verzweifelten Geste ließ ich mich in den Sessel fallen.
›Enfin, ich gebe auf‹, sagte ich laut. ›Es gibt keine einzige Spur. A l les ist völlig normal.‹
Noch während ich das sagte, fiel mein Blick auf einen Tisch in der Nähe, auf dem eine große Praline n schachtel lag, und mein Herz mac h te einen Sprung. Möglicherweise war sie kein Hinweis auf Déroulards Tod, aber wenig s tens hatte ich jetzt etwas, das mir nicht normal zu sein schien. Ich nahm den Deckel ab. Die Schachtel war voll, unb e rührt. Keine Praline fehlte, aber das machte meine Entdeckung noch
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