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Poirots erste Fälle

Poirots erste Fälle

Titel: Poirots erste Fälle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Déroulard war ein prominenter franz ö sischer Abgeordneter. Es war ein off e nes Geheimnis, dass ein Ministersessel auf ihn wart e te. Er gehörte zu den bittersten Gegnern der kathol i schen Kirche und es war sicher, dass er, sobald er an die Macht kam, stark ang e feindet werden würde. Er war in mancher Beziehung ein merkwürdiger Mann. Obwohl er weder trank noch rauc h te, war er in anderen Dingen nicht so zurückhaltend. Sie verstehen, Ha s tings, › c’etait des femmes – toujours des femmes!‹
    Einige Jahre zuvor hatte er eine junge Dame aus Brü s sel geheiratet, die eine ansehnliche Mitgift in die Ehe mi t gebracht hatte. Zweifellos war ihm das Geld bei seiner Karriere sehr nützlich, da seine Familie nicht reich war, auch wenn er das Recht hatte, sich Baron zu nennen. Die Ehe blieb kinderlos und seine Frau starb nach zwei Ja h ren an den Folgen eines Treppe n sturzes. Zu dem Besitz, den sie ihm hinterließ, gehörte auch ein Haus in der Av e nue Louise in Brüssel.
    Und dieses Haus war es, in dem er völlig unerwartet starb. Z u fällig fiel sein Ableben mit dem Rücktritt jenes Ministers zusammen, dessen Amt er übernehmen sol l te. Alle Zeitungen brachten lange Nachrufe auf ihn und se i ne Karriere. Man führte seinen plötzlichen Tod nach dem Abendessen auf Herzversagen zurück.
    Damals war ich, wie Sie ja wissen, mon ami, bei der be l gischen Kriminalpolizei. Paul Déroulards Tod interessie r te mich nicht sonderlich. Ich bin, wie Sie ebenfalls wi s sen, bon catholique, und mir kam sein Hi n scheiden wie ein rechter Glücksfall vor.
    Etwa drei Tage später, ich hatte eben meinen Urlaub angetreten, suchte mich eine dicht verschleierte Dame in meiner Wohnung auf. Sie war offensichtlich noch jung und, wie ich sofort bemerkte, jeune fille tout à fait comme il faut.
    ›Sind Sie Monsieur Poirot?‹, fragte sie mich mit einer leisen, beza u bernd klingenden Stimme.
    Ich verbeugte mich.
    ›Von der Kriminalpolizei?‹
    Wieder verbeugte ich mich. ›Nehmen Sie bitte Platz, Mademo i selle.‹
    Sie nahm den angebotenen Stuhl und lüftete ihren Schleier. Ihr Gesicht war reizend, wenn auch von Tr ä nen entstellt, und es sah aus, als habe sie entsetzliche Angst. ›Monsieur‹, sagte sie, ›so viel ich weiß, nehmen Sie jetzt Urlaub und haben daher Zeit, einen privaten Fall zu u n tersuchen. Sie verstehen, dass ich die Polizei nicht hinz u ziehen möchte.‹
    Ich schüttelte den Kopf. ›Ich fürchte, Sie verlangen Unmögliches von mir, Mademoiselle. Denn auch im U r laub gehöre ich noch zur Polizei.‹
    Sie beugte sich vor. › Ecoutez, Monsieur! Ich bitte Sie nur darum, ein paar Ermittlungen anzustellen. Über das E r gebnis dieser Ermittlungen können Sie die Pol i zei ruhig informieren. Wenn das, was ich vermute, wahr ist, we r den wir den gesamten Polizeiapparat s o gar dringend brauchen.‹
    Jetzt sah die Sache schon wesentlich anders aus und ich erklärte mich bereit, für sie zu arbeiten.
    Leichte Röte stieg ihr in die Wangen. ›Danke, Mons i eur. Ich bitte Sie, Paul Déroulards Tod zu unters u chen.‹
    ›Comment?‹, rief ich überrascht.
    ›Monsieur, ich habe nichts, worauf ich mich stützen könnte – nichts als meinen weiblichen Instinkt, aber ich bin überzeugt – wirklich überzeugt, sage ich! –, dass Paul Déroulard keines natü r lichen Todes gestorben ist.‹
    ›Aber gewiss haben die Ärzte …‹
    ›Ärzte können sich irren. Er war so robust, so kräftig. Ich flehe Sie an, mir zu helfen, Monsieur Poirot!‹
    Das arme Kind war beinahe außer sich. Um ein Haar wäre sie vor mir auf die Knie gefallen. Ich beschwic h tigte sie, so gut ich konnte.
    ›Ich will Ihnen ja helfen, Mademoiselle. Zwar bin ich fast sicher, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind, aber wir werden sehen. Als Erstes bitte ich Sie, mir g e naue Angaben über die Hau s bewohner zu machen.‹
    ›Da ist zuerst natürlich das Personal: Jeanette, Félicie und Den i se, die Köchin. Sie ist seit vielen Jahren im Haus. Die beiden a n dern sind einfache Mädchen vom Land. Dann gibt es noch Fra n çois, aber auch er ist bei den Déroulards alt geworden. Außer den Ang e stellten sind da noch Pauls Mutter, die bei ihm lebte, und ich. Ich heiße Virginie Mesnard und bin eine mitte l lose Kusine der verstorbenen Madame Déroulard, Pauls Frau. Ich gehöre seit mehr als drei Jahren zum Haushalt, dessen Mi t glieder ich Ihnen jetzt aufgezählt habe. An jenem Abend waren allerdings auch noch zwei Hau s gäste

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