Poirots erste Fälle
die ganze Zeit unklar war. Sie wollen mich vor Claude Langton warnen. Und zu diesem Zweck sind Sie herg e kommen?«
Poirot nickte.
Plötzlich sprang Harrison auf.
»Aber Sie sind ja verrückt! Wir leben in England. So l che Sachen passieren hier nicht. Hier laufen die en t täuschten Liebhaber nicht he r um und rennen Leuten ein Messer in den Rücken oder vergi f ten sie. Sie irren sich bei Langton. Dieser Junge würde keiner Fliege etwas zu Leide tun.«
»Das Leben der Fliegen ist nicht meine Sorge«, meinte Poirot gela s sen. »Und obgleich Sie behaupten, Monsieur Langton würde keiner einzigen das Leben nehmen, ve r gessen Sie anscheinend doch, dass er sich gerade darauf vorbereitet, das Leben von ein i gen hundert Wespen zu zerstören.«
Harrison antwortete nicht sofort. Der kleine Detektiv sprang nun auch auf. Er trat zu seinem Freund hin und legte ihm die Hand auf die Schulter. So beunruhigt schien er zu sein, dass er den großen Mann fast schü t telte. Dabei redete er eindringlich auf ihn ein.
»Wachen Sie auf, mein Freund! Wachen Sie auf. Und sehen Sie, s e hen Sie dahin, wo ich hindeute. Dort auf die Bank, dicht bei dem Baumstumpf. Die Wespen kommen nachhause. Ermüdet, am E n de des Tages. In einer Stunde werden sie sterben. Und sie wissen es noch nicht. Ni e mand kann es ihnen sagen. Sie sche i nen keinen Hercule Po i rot zu haben. Ich sage Ihnen, Monsieur Harrison, ich kam geschäftlich her. Mord ist mein Geschäft. Und es ist mein Geschäft, bevor es passiert ist genauso gut wie hi n terher. Um welche Zeit kommt Langton, um das We s pennest auszuheben?«
»Um neun Uhr. Aber ich sage Ihnen, Sie irren sich g e waltig. Lan g ton würde nie – «
»Ihr Engländer!«, rief Poirot leidenschaftlich. Er nahm seinen Hut und Stock und ging den Weg hinunter. E i nen Augenblick blieb er st e hen und sagte über seine Schulter hinweg: »Ich bleibe nicht, um mit Ihnen zu streiten. Ich würde mich nur aufregen. Aber Sie werden ve r stehen – ich komme um neun Uhr zurück.«
Harrison öffnete den Mund, um zu sprechen, aber Po i rot ließ ihm keine Gelegenheit dazu.
»Ich weiß, was Sie sagen wollen. Langton würde nie und so weiter. Trotz allem werde ich um neun Uhr wiede r kommen. Nehmen Sie an, es würde mich amüsi e ren, beim Ausheben des Nestes dabei zu sein. Auch so eine von euren Sportarten!«
Er wartete keine Antwort ab, sondern schritt eilig den Weg hi n unter und schlug die quietschende Tür hinter sich zu. Draußen auf der Str a ße verlangsamte er seine Schritte. Mit seinem betont munteren Wesen war es mit einem Schlag vorbei. Sein Gesicht wurde ernst und b e sorgt. Er nahm seine Uhr aus der Tasche und sah nach, wie spät es war. Die Zeiger deuteten auf zehn Minuten nach acht.
»Mehr als eine Dreiviertelstunde«, murmelte er, »ich weiß nicht, ob ich nicht doch hätte warten sollen!«
Seine Schritte wurden noch langsamer. Um ein Haar wäre er wieder umgekehrt. Eine vage Vorahnung hatte ihn überfallen. Resolut schob er sie beiseite und setzte seinen Weg ins Dorf fort. Es war ein paar Minuten vor neun, als er sich dem Gartentor wieder näherte. Der Abend war still und klar, und kein Lüftchen bewegte die Blätter. E t was Unheilvolles lag in dieser Stille. Wie die Ruhe vor dem Sturm.
Poirot beschleunigte seine Schritte. Er war plötzlich von einer Nervosität gepackt, die er nicht zu deuten ve r mochte.
In diesem Augenblick öffnete sich die Gartentür, und Claude Lan g ton trat mit raschem Schritt auf die Straße. Als er Poirot sah, blieb er stehen.
»Oh – äh – guten Abend!«
»Guten Abend, Monsieur Langton. Sie sind aber ze i tig hier!«
Langton starrte ihn an.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Haben Sie das Wespennest ausgehoben?«
»Nein.«
»So«, meinte Poirot sanft, »Sie haben das Wespe n nest nicht vernic h tet. Was haben Sie dann gemacht?«
»Ach, nur so gesessen und mit dem guten Harrison ein bisschen g e plaudert. Ich muss mich jetzt wirklich beeilen, Monsieur Poirot. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie so lange hier bleiben würden.«
»Ich bin beruflich hier, wissen Sie.«
»Aha. Also, Sie werden Harrison auf der Terrasse vo r finden. Es tut mir leid, dass ich nicht bleiben kann.«
Er eilte fort. Poirot blickte ihm nach. Ein nervöser ju n ger Mann. Gut aussehend, aber ein bisschen verweic h licht.
»Also, ich werde Harrison auf der Terrasse finden«, murmelte Po i rot. »Ich bin gespannt.«
Er ging durch die Gartentür und marschierte den Weg hinauf. Harr
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