Poison (German Edition)
kühlen Hausflur dirigiert. Wie wir gerade im Hausflur stehen und er zwei Briefe aus seinem Briefkasten holt, geht im Erdgeschoss die Tür auf, und Frau Müller steht im Hausflur.
»Guten Tag, Herr Mendelssohn«, sagt sie und nickt Shahin kurz zu. »Ich habe auf Sie gewartet«, fährt sie, fast vorwurfsvoll fort. »Hier ist Ihr Mantel«, sagt sie und reicht mir eine Tüte, in der sie meinen Mantel sauber zusammengelegt hat.
Shahins Blick dagegen ist Gold wert. Nicht dass er darüber ein Wort verliert ... es ist eher ein Hinnehmen, ein Akzeptieren, aber auch ein Nachsinnen auf Revanche ... doch warum? So gesehen habe ich doch offenkundig nichts gemacht.
Wir gehen also die Treppe nach oben, und ich merke, dass ich immer noch nicht wirklich so fit bin, wie ich gedacht hatte. Die Treppe, die nur in den zweiten Stock geht, was bedeutet, dass er eine große Wohnung hat, macht mir ganz schön zu schaffen, und ich bin oben ziemlich aus der Puste. Als ich in Shahins Wohnung komme, trifft mich jedoch fast der Schlag, und ich bleibe wie vom Donner gerührt, im Flur stehen.
Shahin dreht sich zu mir um, mustert mich, und kommt dann näher. »Was ist mit dir?«, fragt er mich besorgt.
»Deine Möbel ...«, ist alles, was ich herausbringe. Fakt ist, es ist schockierend! Zumindest für mich, denn er hat genau die gleiche Einrichtung wie meine Tante in ihrer Wohnung. Schränke, Kommoden, Truhen, alles aus dunklem Holz mit Intarsienarbeiten, genau das gleiche Modell wie meine Tante, antiquarisch, versteht sich!!! In seiner Wohnung geht eine kleinere Treppe nach oben in den dritten Stock. Ich schüttele mich, verdränge meine Überraschung und schaue mich um. Ein Flur mit Garderobe, Spiegel, Parkettboden. In der restlichen Wohnung überall Teppiche, Brücken, Bodenbeläge, Küche und Bad gefliest, zwei Toiletten. Wobei die Küche nicht offen ist, wie meine, sondern ein eigener Raum mit Durchreiche ins Wohnzimmer, wo ein großer dunkler Holztisch mit Stühlen daran steht.
»Oben ist mein Schlafzimmer, ein anderer Raum und mein Bad«, reißt Shahin mich aus meinen Betrachtungen. Gegen diese Wohnung ist mein Loft ein Dreck, stelle ich fest und begreife, warum er mein Loft letzte Woche eben nicht als außerordentlich gewürdigt hat. DAS HIER ist außerordentlich, stelle ich fest.
»Danke für’s Tragen«, lächelt Shahin mich an. »Darf ich zum Ausgleich für dich kochen?«
Ich nicke, bin immer noch ziemlich geschockt, setze mich auf ein dunkles, bequemes Ledersofa, das im vorderen Teil des fast 140 Quadratmeter großen Wohnzimmers steht. Mein Traummann verschwindet in seiner Küche und macht irgendetwas, was, kann ich nicht genau sagen, es läuft jedenfalls Wasser, Töpfe klappern, anscheinend kocht er wirklich. Hier herumzusitzen ist jedenfalls nicht das, was ich vorziehe. Im Gegenteil.
64
Shahin
Das Nudelwasser ist schnell aufgesetzt, das Gemüse gewaschen, und überhaupt, irgendwie hatte ich so etwas gerochen und mehr eingekauft, als ich eigentlich müsste. Na gut, fürs Wochenende eben, Samstag und Sonntag. Ich kaufe ja sowieso immer für den Tag ein, an dem ich essen möchte, und damit eigentlich genau das, worauf ich gerade Lust habe. Dieses Einmal-pro-Woche-Einkaufen und Den-Kühlschrank-voll-machen ist nämlich absolut nicht mein Ding, es schränkt meine Freiheit ein und zwängt mich in Bahnen, die mir nicht gefallen – auch wenn es nur die Beschränkung durch meinen Kühlschrankinhalt ist. So passen die Spaghetti, die ich gekauft habe, gewiss gut zu der Gemüsesoße. Als ich die Nudeln im Wasser und das Gemüse im Topf habe, kommt Brix in die Küche. »Wenigstens hat er heute ein passendes Timing«, denke ich mir und wende mich ihm zu.
»Das Essen ist gleich fertig ... wie fühlst du dich?«, frage ich ihn.
»Ganz gut«, antwortet er, verstummt dann anscheinend mitten im Satz. Scheint ziemlich gehemmt zu sein, der Gute. Nicht unentschlossen, aber irgendwie so, als wäre ihm die Konsequenz zu hoch oder aber als würde er sich einfach nicht trauen, die Konsequenz in Kauf zu nehmen. Soll ich ihm helfen? Mhm, mal sehen. Ich sollte auf jeden Fall den Rotwein aus dem Kühlschrank nehmen und dekantieren. Innerlich lächele ich. Brix hat sich in seiner ziemlich coolen Art an den Küchenschrank gelehnt und schaut mir zu, wie ich den Tisch decke, die Nudeln abgieße und die Soße püriere.
»Setz dich«, schlage ich vor und deute auf die Stühle, die in der Essecke im Wohnzimmer um den Holztisch gruppiert sind. Als ich
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