Poison (German Edition)
dein Freund bin, oder?«
Ich nicke, zunächst abwartend, was jetzt als Nächstes kommt.
»Reden wir mal Klartext. Ich weiß, wer Brix geheilt hat. Und ich weiß auch, was du kannst, zumindest ansatzweise, denn so gut bist du nicht. Ich möchte dir aufgrund unserer alten Freundschaft anbieten, besser zu werden, denn du bist mir wichtig geworden. Und ich möchte dich gerne ein paar Dinge lehren, die du dir bisher nicht erträumen ließest.«
In diesem Moment schaltet sich Sachmedia in mein Gehirn ein und zeigt mir ein Bild. Das Bild von Brix, wie er auf einem Opfertisch liegt, Carlos danebensteht und ein langes Messer in der Hand hält. Okay, danke, ich habe verstanden. »Nein, Carlos. Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte darauf gerne verzichten.«
Er scheint für einen Moment fast enttäuscht, geht dann wortlos zur Tür, macht sie auf, und schaut mich noch einmal an. »Vielleicht überlegst du dir das noch einmal, mein Freund. Du weißt, wie du mich erreichst.« Dann folgt er mir durch die Tür und wendet sich Brix zu, den er eben hat warten lassen.
Noch ein psychologischer Trick, aber ich nehme an, Brix ist intelligent genug, um jetzt nicht vor Wut zu platzen. »Nun, Mendelssohn, ich hoffe, Sie waren so vernünftig wie ihr junger Freund hier und haben sich mein Angebot noch einmal überlegt«, versucht Alfaya seinen letzten schäbigen Trick.
Brix hält in seiner Bewegung inne und steht dann abrupt auf. »Herr Alfaya, ich denke, damit ist unser Gespräch beendet. Meine Faxnummer ist noch die gleiche. Faxen Sie mir den Vertrag, wenn sich etwas ändern sollte. Guten Tag.« Wir stehen beide auf, in fließender Bewegung, und gehen zur Tür, verlassen den Raum, und hinterlassen einen sehr nachdenklichen Carlos, der uns grübelnd nachschaut.
Als wir wieder im Jeep sitzen, erzähle ich Brix von dem Angebot Carlos’, mir mehr Macht zu schenken. Brix schüttelt nur den Kopf und regt sich über Carlos auf. Dann wählt er auf seinem Mobiltelefon Ricardos Nummer – woher hat er die? – und berichtet ihm von dem Angebot Carlos’, uns jedem zwanzigtausend zu zahlen. Für einen Moment herrscht Grabesstille am anderen Ende der Leitung.
Dann fragt Ricardo: »Und, habt ihr angenommen?« – »Natürlich nicht«, antwortet Brix.
»Gut«, sagt Ricardo nach einer Weile. »Dann sag dem Arschloch, er soll sich seinen Vertrag an den Hut stecken. Lieber machen wir den ganzen Kram selber, als dass wir uns an so einen Verbrecherverein binden.« Sie reden noch ein bisschen belangloses Zeug, Brix verspricht ihm, sich anderweitig zu bemühen, und dann legen sie auf. Brix scheint zufrieden, ich jedoch mache mir Sorgen. Und heute Abend treffe ich mich mit Chris, dem Typen von den »Kindern der Isis«, im »Turm«. Na prima. Hoffentlich erfährt Carlos das erst nach dem Termin.
Jedenfalls bin ich mit dem Ablauf des Gesprächs nicht so zufrieden, wie ich wahrscheinlich sein sollte. Ich habe instinktiv das Gefühl, dass es ein guter Plan wäre, Berlin zu verlassen, bevor noch Schlimmeres passiert. Das hat einen ganz einfachen Grund. Ich habe es vorhin im Vier-Augen-Gespräch mit Carlos das erste Mal geschafft, seine Mauern zu durchbrechen und ihm auf den Grund seiner Seele zu sehen. Und mir ist schlecht geworden dabei. Soviel Verderbnis, soviel Schwärze und Dunkelheit haben sich mir offenbart und versucht, mich zu verunreinigen und in ihr Inneres zu ziehen, dass mir nur eine einzige Frage offen bleibt: welche Seele?
83
Shahin
Ich möchte vorab nur eines feststellen: Dieses Gespräch war mir deutlich zu strange. Während der ganzen Heimfahrt verharre ich schweigend, grübele über die Aussage von Carlos, er wisse genau, was ich kann – auch wenn er das »ansatzweise« ausdrücklich betont hat. Es ist schon krass, was dieser Mann sich anmaßt. Und vor allem finde ich es krass, mit welchen Mitteln er versucht hat, uns Angst einzujagen, denn so langsam wird mir klar, dass all diese Sekten auf Terror und der Tatsache, dass ihre Mitglieder sich vor den Oberen fürchten, basieren. Und ich werde gerade sehr müde.
Als ich zu Hause bin, führt mich mein erster Weg in mein Bett. Ich ziehe mich aus, lege meinen Anzug über einen Stuhl, decke mich zu und bin eingeschlafen, bevor Brix sich dazu legen oder sonstige Dinge tun kann.
84
Carlos
Es kostet mich gerade mal zwei Anrufe, um den nächsten Schritt zu planen. Es ist nicht so, dass ich so dumm wäre, jetzt meine Hohepriesterin anzurufen, ihr meinen Fehler zu
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