Poison (German Edition)
gehfertig. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es erst Viertel nach sechs ist und wir also rechtzeitig in der Stadt sein werden. Ich weiß nicht wirklich, wohin wir genau müssen, aber da Brix mit dem Auto fahren will, mache ich mir da auch keinen Stress – er wird schon wissen, wo wir hin müssen und wie lange man dafür morgens braucht. Und so ist es auch, wir düsen mit seinem Jeep durch den Berufsverkehr, was Brix ziemlich annervt, und kommen dann gerade noch rechtzeitig kurz vor acht zu einem flachen zweistöckigen Bürogebäude, vor dem sich eine schmale Wiese mit zwei Bäumen darauf befindet. Brix scheint sich hier auszukennen, er parkt mit einem fast schon als fies zu bezeichnendem Grinsen auf einem gekennzeichneten Parkplatz und führt mich dann in das Gebäude. Die Mädels an der Rezeption begrüßen Brix freundlich, mich dagegen mustern sie neugierig.
»Hallo«, eine von ihnen begrüßt uns. »Wir haben schon auf dich gewartet, Brix. Alfaya ist schon da, er erwartet dich. Hallo, ich bin Nina«, wendet sie sich mir zu.
»Ich bin Shahin«, begrüße ich sie freundlich, ansonsten halte ich mich halb hinter Brix und mache einen neutral-freundlichen Eindruck. Wir nehmen den Lift in den ersten Stock, gehen durch eine Metalltür, durch einen Gang, in dem dicker Teppich liegt, bis hin zu einem leeren Büro, vor dem er kurz stehen bleibt, hineinsieht, einen Moment traurig wirkt und dann weiter bis zu einer ledergepolsterten Tür geht, anklopft, und dann ohne auf das »Herein« zu warten eintritt. Okay, dann auf in die Schlacht.
»Mendelssohn, schön, Sie zu sehen.« Carlos Stimme ist kaum zu überhören. Tatsächlich, er ist es. Irgendwie hatte ich gehofft, es wäre eine Verwechslung oder eine zufällige Namensgleichheit. »Wie geht es Ihnen, mein Lieber?« – »Ganz gut.« Die Kälte in Brix’ Stimme ist kaum zu überhören. »Ich nehme an, dass es um den Vertrag mit dieser Band geht, die ich jetzt berate?«, fährt Brix trocken fort. Nicht, dass ich sehen könnte, was sich im Raum tut. »Ich habe deshalb sicherheitshalber noch den Manager dieser Band mitgebracht, damit wir gleich Nägel mit Köpfen machen können. Sie entschuldigen mich sicher.« Mit diesen Worten kommt Brix zu mir und bittet mich mit einem »Bitte schön« in den Raum, wo Carlos in einem schlecht sitzenden Anzug aus den Siebzigern am Schreibtisch sitzt und die Augen aus den Höhlen quellen lässt, als er meiner gewahr wird.
»Shahin.« Er klingt überrascht, aber auch erfreut, mich zu sehen. Echt oder unecht? Spielt er mir was vor? Jedenfalls steht er auf, kommt um seinen Tisch herum, breitet seine Arme aus und umfasst mich an meinen Oberarmen. Wahrscheinlich rechnet er sich aus, dass er nun gewonnen hat oder so, vielleicht zählt er auch nur im Geiste sein Geld, ich weiß es nicht. Er scheint jedoch sehr nett zu mir.
»Machen wir es doch kurz und schmerzlos. Ihr beide«, er schlägt in den vertraulichen Ton um, »seid doch nicht dumm, oder? Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr unterschreibt den Vertrag so, wie er ist, und ich zahle jedem von euch zwanzigtausend. Na, was haltet ihr davon?«, fragt er und schaut dabei Beifall heischend in die Runde.
Brix lächelt ein undurchschaubares Lächeln. »Herr Alfaya, ich glaube, wir haben uns falsch verstanden.«
Wenn Carlos überrascht ist, zeigt er es nicht, sondern sein Pokerface. »Dieser Vertrag ist völlig inakzeptabel, und niemand von uns wird ihn so unterschreiben.«
Carlos verzieht den Mund und schaut mich dabei an. Ich nicke bestätigend, woraufhin Carlos bedauernd schaut und mit den Schultern zuckt. »Schade, vor allem für dich, mein Freund.« Sein kurzer ratloser Blick bestätigt meine Vermutung: Er hat Brix für in Geldnot und mich für geldgeil gehalten, des weiteren kann er mein Auftauchen hier absolut nicht einschätzen.
»Kann ich dich für einen Moment unter vier Augen sprechen, Shahin?«
Aha, er versucht es mit der Trennungs-Taktik. »Okay«, stimme ich zu, woraufhin Carlos aufsteht, eine Tür öffnet und mich in einen Konferenzraum führt, die Tür hinter sich schließt.
»Shahin, entschuldige bitte den Vorfall von unserem letzten Treffen«, beginnt Carlos das Gespräch. Ich ziehe die Augenbrauen nach oben, scheine auf mehr zu warten. »Ich ... ich ... es tut mir leid, dass du das miterleben musstest. Du kannst ja nichts dafür«, entschuldigt er sich weiter. »Ich muss dich noch etwas fragen, mal unabhängig von diesem unwichtigen Vertrag. Shahin, du weißt, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher