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Poison (German Edition)

Poison (German Edition)

Titel: Poison (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Alster
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einer schweren Krankheit gestorben ist. Wir waren über ein Jahr die besten Freunde, als er mich plötzlich verlassen hat, ohne Vorwarnung. Wir hatten uns für den Nachmittag verabredet, ich kam zu ihm – einen Schlüssel hatte ich ja –, und da lag er im Bett, ohne Puls, ohne Atmung, einfach so – tot. Die nächsten Tage hab’ ich ziemlich mechanisch verlebt, habe die Polizei und einen Rettungswagen gerufen, habe noch ein paar Dinge abgewickelt und bin dann gleich nach Berlin. Nichts wie weg, wie eine Flucht.
    Und das war auch gut so. Inzwischen kann ich wieder leben, denke ich. Aber ich möchte eben nicht jeden lieben. Ich möchte auch behütet werden, denn ich habe in dieser Freundschaft gelernt, dass ich auch meinen Schutz brauche, und zurzeit mehr denn je.

25
    Brix
     
    »Fünf Euro und fünfzig Cent«, sagt mir eine Stimme, die von sehr weit weg zu kommen scheint, und die meine Gedanken an IHN stören. Ich stutze, denn ich dachte eigentlich, meine Zigaretten kosten knapp drei Euro. Als ich aufschaue, sehe ich den Grund für die unerwartete Preissteigerung, denn ich halte ein Päckchen Bonbons in meiner Rechten. Gut, kaufe ich eben Bonbons, zumal mein Hals sich immer noch kratzig anfühlt. Zum Glück ist etwas anderes wichtiger geworden als ER – zumindest für den Augenblick, denn als ich mein Portemonnaie öffne, um zu bezahlen, sehe ich, dass ich fast dreihundert Euro bei mir habe, drei Fünfziger, sechs Zwanziger, zwei Zehner, ein Fünfer und ein bisschen Kleingeld.
    »Wechselgeld für Kalle«, grinse ich, aber die erhoffte Schadenfreude will und will sich nicht einstellen, im Gegenteil. Das, was ich empfinde, fühlt sich eher wie Reue an. Shit, es hat einfach keinen Sinn, was ich hier veranstalte. Und es bringt nichts, sich gegen das Gefühl zu wehren, weil es ja doch immer wiederkehrt. Und es treibt mich in die Resignation, weil ich es nicht geschafft habe, meine letzte Chance bei ihm zu nutzen. Im Gegenteil, ich habe mich benommen wie die Axt im Walde, habe ihn blamiert, bloßgestellt und eine emotionale Barriere zwischen uns gestellt, die er ganz gewiss nicht überwinden wird. Vor allem werde ich ihm nie wieder unter die Augen treten können, wenn ich ihm begegne, nach dieser Aktion. Verdammt!
    Ich habe es verdient, zu leiden, und ich leide, denn ich schleiche mehr in meine Wohnung zurück, als ich gehe, und ich lasse meinen Kopf tüchtig hängen wie ein armer Sünder, der auch nach außen hin seine Rolle deutlich demonstriert ... wie hat der Engel in der Station es formuliert: »Idiot«? Stimmt, er hat recht, und das ärgert mich auch wieder. Und diese Resignation ist vermutlich auch der Grund für die Leere und Trostlosigkeit in meiner Wohnung, die ich feststelle, als ich sie betrete. Jeder Versuch, abzuschalten, zu vergessen und auszuruhen ist damit völlig zwecklos, weil mir einfach der Bezug, der Halt fehlt, den ich sonst in diesen Räumen fühle.
    Ich mag mein Loft, die minimalistische Einrichtung, die Geradlinigkeit, das Fehlen von Pflanzen und jeglichem Schnickschnack, das Parkett, Milchglas und das kühle blaue Licht aus den Neonröhren in meinem Schlafzimmer, das seltsamerweise brennt – habe ich vergessen, es auszuschalten? Wie dem auch sei, es ist irgendwie kalt hier, viel zu groß für meinen Bedarf, und es ist kein Stück Persönlichkeit darin, weder von mir, noch von meinem Innenarchitekten, dem ich teures Geld dafür bezahlt habe, dass die Wohnung eben so ist, wie sie ist. Aber anscheinend habe ich mein Geld aus dem Fenster geworfen, denn im Moment bin ich hier völlig an der falschen Adresse. Jedoch, das Licht brennt immer noch, und ich beeile mich, in mein Schlafzimmer zu kommen und es abzuschalten, bevor ich meinem Instinkt folgen und mein Loft fluchtartig verlassen will, irgendwo hinfahren und versuchen, dieses miese Gefühl von Hass und Abscheu zu verdrängen.
    Doch ich komme nicht bis ins Schlafzimmer, denn als ich die wenigen Treppen hinaufstolpere, stürze ich fast vornüber, so plötzlich bleibe ich stehen und starre auf mein Bett, in dem ein Mensch liegt, der auf mich gewartet zu haben scheint ... ER. Seine bloße Anwesenheit beruhigt mich, denn er ist nicht sonst wo und tut sich vielleicht etwas an, sondern er ist hier. Bei mir, wegen mir. Sein Blick, mit dem er mich anschaut, als ich plötzlich im Türrahmen stehe, spricht allerdings eine andere Sprache, als ich zunächst vermutet, erhofft habe. Da ist kein Stück von dieser Sehnsucht, die ich so an ihm liebe, nicht

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