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Poison (German Edition)

Poison (German Edition)

Titel: Poison (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Alster
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Ausländer, Sozialhilfebetrüger und Schwarzfahrer auslässt.
    »Ich störe ja nur äußerst ungern ihren Redeschwall«, falle ich ihm in sanftem, aber durchdringenden Ton ins Wort, »Aber warum geben Sie mir nicht einfach meine sechzig Euro und lassen den Rest gut sein? Kann ich etwas dafür, dass ich meinen Fahrschein, den ich gelöst habe, nicht mehr finde? Oder wollen Sie mir jetzt etwa auch noch unterstellen, dass ich absichtlich eine Leistung erschlichen habe???«
    Der Polizist schaut mich ziemlich verwundert an. »Ihre sechzig Euro?«, fragt er.
    »Ja«, sage ich, »ich hab’ ihm einen 100-Euro-Schein gegeben, um die vierzig Euro anstandslos zu bezahlen, den er nicht wechseln konnte – also hat er ihn eingesteckt und gesagt, ich bekäme hier mein Wechselgeld.« Und dann wende ich mich an den Polizisten: »Und was meine Personalien betrifft, so rufen Sie mal am besten das Polizeipräsidium in Bonn an, fragen nach Herrn Schmeling, und reden mal mit ihm über mich.« Ich drehe mich um und gehe zur Holzbank, auf die ich mich setzen sollte, zurück, mit hoch erhobenen Schultern, und nicht wie der vermutlich erwartete, reuige und vor allem hilflose Sünder.
    Inzwischen kramt der Türke sechzig Euro aus seinem Geldbeutel und schreibt was auf seinen Block. »Kalle«, meint er ganz ruhig, »Gib’ mir den Hunderter.« Der Alte tut das, und der Türke kommt zu mir, baut sich vor mir auf, drückt mir eine Quittung in die Hand und das Restgeld, während der Polizist telefoniert, was mir eigentlich gar nicht recht ist. Dann winkt mir der Polizist, ich soll mal ans Telefon kommen. Genau DAS wollte ich eigentlich vermeiden.
    »Hallo, Shahin«, höre ich die frische Stimme von Horst Schmeling, Polizeidirektor und Verantwortlicher für gewisse Stellen in Bonn, mit denen ich als Jugendlicher mal ein paar Deals laufen hatte, und die bis heute immer noch an eine latente Mitarbeit meinerseits glauben. Klar, es ist eine feine Sache, ab und an mal auf gewisse Quellen zugreifen zu können, aber je mehr man solche Kontakte benutzt, desto mehr nutzen sie sich ab und wollen aufgefrischt werden, nach dem »Eine-Hand-wäscht-die-andere«-Prinzip. Und schon müsste ich dann auch wieder Dinge für diese Quellen erledigen, und dazu habe ich eigentlich deutlich keine Lust. Insofern passt mir das Gespräch mit Schmeling mal überhaupt nicht, und deshalb antworte ich auch eher lustlos. »Hallo, Horst, wie geht’s in Bonn?«
    Ich sehe ihn richtig vor mir, der Sechzigjährige mit seinem weißen vollen Haar, sich den sorgfältig gestutzten Prinz-Wilhelm-Schnurrbart zwirbelnd, eine Tasse Kaffee, liebevoll von seiner Sekretärin zubereitet, neben den dünnen Akten auf dem Tisch, und eine arabische Zigarette – seine Spezialmarke – in den Fingern, rauchend. »Schwierigkeiten?«, fragt mein ehemaliger Führungsbeamter. »Nö«, antworte ich, »Eigentlich keine. Eine Art Missverständnis. Hab’ mein Ticket in der U-Bahn nicht gefunden und hatte keinen Ausweis dabei.« – »Ist das alles?«, fragt Schmeling.
    »Kann sein, dass sich das ändert«, deute ich an, denn mir ist gerade das Gespräch mit Sachmedia und diese Organisation wieder eingefallen. »Möglich, dass ich in den nächsten Wochen mal bei euch reinschaue.«
    Schmeling scheint nachzudenken, räuspert sich. »Mach das, Shahin. Vielleicht ziehen wir beide daraus einen Vorteil. Ich schicke gleich ein Fax auf diese Wache, und dann kannst du gehen. Wir telefonieren noch einmal, okay?«
    Ich stimme zu, und der Polizist übernimmt das Gespräch wieder, antwortet nur noch mit knappen »Ja’s«, scheint innerlich Haltung anzunehmen und beendet das Gespräch formvollendet.
    Dann dreht er sich zu mir um und sagt: »Sie können gehen. Entschuldigen Sie bitte, dass das hier so lange gedauert hat.«
    Ich nicke ihm dankbar zu und gehe. Als ich die Wache verlasse, höre ich gerade noch, wie er den Kontrolleuren rät, doch das nächste Mal etwas mehr Gefühl für Schwarzfahrer und »normale« Bürger zu haben, die ihr Ticket nur vergessen haben, und ihm dann auch noch den Stress zu machen, »einen aus Bonn« hier identifizieren zu müssen. »Merde«, fluche ich, »auch das noch.« Wo ich doch so froh darüber war, dass diese Kreise mich und meine Mitarbeit offensichtlich vergessen hatten. Und alles nur seinetwegen.
    Warum bin ich von IHM nur so abhängig plötzlich? Klar, anscheinend habe ich mich in ihn verliebt. Kann sein, ist ja auch kein Wunder. Erstens passt er vom Äußerlichen voll in mein

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