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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Ausschluß aus der Partei .« Der Invalide geht anscheinend gern in die vollen, dachte Arkadi. Entlassung und Exil waren halb so schlimm, aber sein Parteibuch zu verlieren, davor zitterte jeder Apparatschik. Molotow zum Beispiel war auf die Abschußliste gekommen, weil er über die Mordlisten Tausender von Stalin-Opfern Buch geführt hatte. Wirklich ernsthaft in Schwierigkeiten geriet er jedoch erst, als man sein Parteibuch einzog.
    »Die Parteimitgliedschaft war eine zu hohe Ehre für mich. Dem Druck war ich nicht gewachsen.«
    »Sieht ganz so aus.« Wolowoi versenkte sich wieder in die Akte. Aber vielleicht war das, was er da las, zu peinlich. Er blickte hinauf zu den Bücherregalen, als könne keine der Geschichten dort oben derart geschmacklos sein. »Der Kapitän ist natürlich Parteigenosse. Aber wie viele Seeleute ist er auch ein eigenwilliger Charakter, eine Persönlichkeit, die das Risiko liebt. Er versteht eine Menge vom Fischfang, weiß, wie man einem Eisberg ausweicht, auf schnellstem Wege nach steuerbord oder in den Hafen kommt. Doch Politik und die menschliche Natur sind komplizierter, gefährlicher. Selbstverständlich möchte er herausfinden, was mit dem toten Mädchen passiert ist. Wir alle wollen das. Nichts könnte im Augenblick wichtiger sein. Und darum ist auch die ordnungsgemäße Kontrolle der Untersuchung so entscheidend.«
    »Das höre ich nicht zum erstenmal«, entgegnete Arkadi.
    »Aber früher haben Sie sich nicht danach gerichtet. Doch damals waren Sie Parteigenosse, ein hoher Beamter, ein Mann mit einem Titel. Aus Ihrer Akte ersehe ich, daß Sie fast ein Jahr nicht mehr an Land gewesen sind. Renko, Sie sind ein Gefangener auf diesem Schiff. Wenn Sie in Wladiwostok von Bord gehen, werden Sie, während Ihre Kameraden zu ihren Mädchen oder zu ihrer Familie heimkehren, von der Grenzwache in Empfang genommen, einem Arm des Staatssicherheitsdienstes. Sie wissen das, denn andernfalls hätten Sie das Schiff verlassen, als wir das letztemal zu Hause waren. Aber Sie haben kein Zuhause, niemanden, zu dem Sie gehen könnten. Ihre einzige Hoffnung ist eine uneingeschränkt positive Beurteilung von der Polar Star. Und ich bin der Offizier, der diese Beurteilung schreiben wird.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Ich erwarte«, sagte Wolowoi, »daß Sie mich eingehend und diskret informieren, bevor Sie dem Kapitän Bericht erstatten.«
    »Aha.« Arkadi verneigte sich leicht. »Nun, eigentlich ist es keine richtige Untersuchung; es dreht sich nur darum, einen Tag lang Fragen zu stellen. Und außerdem bin ich nicht der Verantwortliche.«
    »Da Slawa Bukowski kaum Englisch spricht, liegt es auf der Hand, daß Sie einige der Verhöre führen werden. Es ist notwendig, Fragen zu stellen, damit die Wahrheit ans Licht kommt. Nur so können exakte Folgerungen gezogen werden. Aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, daß keine Informationen zu den Amerikanern durchsickern.«
    »Ich kann nur mein Bestes tun. Wäre Ihnen ein Unfalltod recht? Wir haben schon eine Lebensmittelvergiftung in Erwägung gezogen. Oder ist Ihnen Mord lieber?«
    »Es ist außerdem wichtig, den guten Namen des Schiffes zu bewahren.«
    »Es gibt verschiedene Arten von Selbstmord.«
    »Und wir müssen an den Ruf der unglücklichen Genossin denken.«
    »Wir könnten ja erklären, sie sei noch am Leben, und sie zur Fischerkönigin küren. Was immer Sie wollen. Füllen Sie die entsprechenden Papiere aus, und ich werde auf der Stelle unterschreiben.«
    Wolowoi klappte die Akte zu, verstaute sie in seiner Mappe, schob den Stuhl zurück und stand auf. Seine geröteten Augen wurden noch um eine Spur dunkler, sein Blick noch starrer, die instinktive Reaktion eines Mannes, der sich seinem natürlichen Feind gegenübersieht.
    Arkadi hielt seinem Blick stand. Ich durchschaue dich. »Erlauben Sie, daß ich mich entferne, Genosse?«
    »Bitte.« Wolowois Stimme klang tonlos. »Renko«, rief er, als Arkadi sich zum Gehen wandte.
    »Ja?«
    »Selbstmord ist, denke ich, Ihre große Stärke.«
    Sina Patiaschwili lag auf dem Operationstisch, den Kopf von einem Holzblock gestützt. Sie war hübsch gewesen, mit jenem fast griechischen Profil, das man mitunter bei georgischen Mädchen findet. Volle Lippen, Hals und Glieder anmutig geformt, schwarzer Schambogen und ein blonder Haarschopf. Was hatte sie darstellen wollen, eine Skandinavierin? Sie war ins Meer gestürzt, auf Grund gegangen und abgesehen von der unwiderruflichen Stille des Todes ohne erkennbare

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