Polar Star
eine Maschine auf einem supermodern ausgestatteten Flughafen - ein ausländischer Schauplatz. Mehrere Wagen fuhren am Terminal vor und hielten: Limousinen, vielleicht nicht mehr ganz neu und ein bißchen verbeult, aber unverkennbar amerikanischer Herkunft. Stimmen mit amerikanischem Akzent redeten einander mit »Mr. Dies« oder »Mr. Das« an. Die Kamera richtete sich auf ein Paar Joggingschuhe ausländischen Fabrikats.
»Selbstschutz im Ausland«, sagte ein Mann, der aus dem Vorführraum kam. »Dreht sich alles um die CIA.«
Der Mann war Karp Korobets. Mit der mächtig gewölbten Brust und dem Haaransatz, der nur Millimeter oberhalb seiner Brauen begann, ähnelte der Trawlmaster jenen wuchtigen Statuen, die man nach dem Krieg errichtet hatte: der Soldat mit geschultertem Gewehr, der Seemann, der seine Kanone abfeuerte - Standbilder, die suggerieren sollten, der einfache Mann habe dem Sozialismus zum Sieg verholfen. Auf der Polar Star verkörperte Korobets das Idealbild der Arbeiterklasse.
Auf einer Tafel im Mannschaftssaal wurden die Arbeitsergebnisse der drei Brigaden festgehalten, und jede Woche erhielt die im Wettstreit siegreiche Mannschaft einen goldenen Wimpel. Es gab eine gewisse Anzahl Punkte für das erreichte Fangquantum, für die Qualität der verarbeiteten Fische, für den Prozentsatz der alles entscheidenden Quote. Und Monat für Monat war es Karps Gruppe, die den Wimpel errang. Arkadi hatte die gleiche Schicht, und folglich zählte er mit zu den Gewinnern. »Ihr ernährt das sowjetische Volk und wirkt dadurch mit am Aufbau des Kommunismus!« stand auf dem Transparent über der Tafel. Damit waren er und Karp gemeint!
Lässig fischte der Trawlmaster eine Zigarette aus einem Päckchen. Deckmänner nahmen kaum Notiz von der Mannschaft, die unten in der Fabrik arbeitete, und so würdigte er Slawa kaum eines Blickes. Auf der Leinwand übergab ein Geheimagent einem anderen ein paar Beutel mit weißem Pulver.
»Heroin«, sagte Karp.
»Oder Zucker«, meinte Arkadi. Auch der war in Rußland schwer zu bekommen.
»Es war Trawlmaster Korobets, der Sina gefunden hat.« Slawa wollte endlich zur Sache kommen.
»Um welche Zeit war das?« fragte Arkadi.
»Gegen drei Uhr früh«, sagte Karp.
»War sonst noch was Ungewöhnliches im Netz?«
»Nein. Warum stellen Sie hier die Fragen?« wollte Karp wissen. Sein Blick hatte sich verändert - eine Statue schien plötzlich die Augen zu öffnen.
»Angeblich hat Genosse Renko Erfahrung in solchen Dingen«, sagte Slawa.
»Was denn, mit Leuten, die über Bord gehen?«
»Haben Sie das Mädchen gekannt?«
»Ich habe sie bloß ein paarmal gesehen. Sie war an der Essensausgabe.« Karps Interesse war jetzt sichtlich erwacht. Er wiederholte Arkadis Namen, als komme er ihm bekannt vor. »Renko, Renko. Woher stammen Sie?«
»Aus Moskau«, antwortete Slawa für Arkadi.
»Moskau?« Karp stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Sie müssen ja wirklich Scheiß gebaut haben, daß Sie hier gelandet sind.«
»Tja, aber da sind wir nun einmal, lauter stolze Arbeiter der Fernost-Flotte«, sagte Wolowoi, der mit vielsagendem Blick auf einen weiteren Neuankömmling hinzutrat, einen jungen Amerikaner mit Sommersprossen und schwungvoller Haartolle, der zögernd näher kam. »Bernie, bitte gehen Sie doch hinein«, rief Wolowoi ihm aufmunternd zu. »Sie zeigen einen Spionagefilm. Sehr spannend.«
»Sie meinen, wir sind wieder mal die Schurken, stimmt’s?«
Bernie lächelte schüchtern. Er sprach fast akzentfrei.
»Wie könnte es sonst ein Spionagefilm sein?« Wolowoi lachte.
»Nehmen Sie’s als Komödie«, schlug Arkadi vor.
»Gut!« Das schien Bernie zu gefallen.
»Ich wünsche gute Unterhaltung«, sagte Wolowoi, der jetzt nicht mehr lachte. »Genosse Bukowski wird Ihnen einen guten Platz zuweisen.«
Der Erste Maat führte Arkadi den Gang hinunter in die Schiffsbibliothek, einen Raum, in dem man sich seitwärts zwischen den Regalen durchzwängen mußte. Es war aufschlußreich zu sehen, welche Autoren hier vertreten waren. Jack London war offenbar populär, ebenso Kriegsgeschichten, Sciencefiction und eine literarische Gattung, die unter »Traktorromanzen« firmierte. Wolowoi schickte die Bibliothekarin fort und setzte sich an ihren Schreibtisch. Er schob ihren Teewärmer, Töpfe mit Klebstoff und Bücher, deren Rücken aus dem Leim gegangen waren, zur Seite, um für ein Dossier Platz zu schaffen, das er aus seiner Aktenmappe zog. Arkadi hatte bisher versucht, dem
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