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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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des Bunkers wandern. Bis auf den Generator war er leer; die nackten Wände waren mit allen möglichen Sachen vollgekritzelt. In einer Ecke glänzte eine Wasserlache, und darüber führte ein rostbraunes Rohr durch die bombensichere Decke bis zu einer geschlossenen Luke. Die Luke war außer Reichweite, doch ein abgebrochener Sockel zeugte davon, daß ursprünglich Treppenstufen zu ihr hinaufgeführt hatten.
    »Bestimmt war hier ein Seil oder eine Leiter«, sagte Arkadi.
    »Wahrscheinlich hat der Kerl sie hochgezogen, als er oben war, und dann die Luke hinter sich zugemacht.«
    »Wir sind Ihnen nachgegangen.« Karp nahm die Flinte vom Bett und drehte sie bewundernd zwischen den Händen. »Aber wir haben niemanden rauskommen sehen.«
    »Warum sind Sie dem Amerikaner gefolgt?« fragte Wolowoi.
    »Kommen Sie, wir wollen draußen nachsehen«, drängte Arkadi.
    Karp stellte sich ihm in den Weg. »Warum sind Sie dem Mann gefolgt?« fragte Wolowoi noch einmal.
    »Ich wollte ihn nach Sina fragen …«
    »Die Ermittlungen sind abgeschlossen«, fiel Wolowoi ihm ins Wort. »Das ist also kein statthafter Grund, jemandem nachzulaufen. Oder entgegen ausdrücklichen Befehl das Schiff zu verlassen, sich von Ihren Kameraden davonzuschleichen und nachts allein aus einem ausländischen Hafen zu entwischen. Aber mich wundert das nicht, weil ich mich über nichts mehr wundere, was Sie tun. Los, Karp, schlag zu.«
    Wie einen Speer stieß der Trawlmaster Arkadi den Gewehrlauf zwischen die Schulterblätter, dann holte er aus, gleich einem Bauern, der wohlüberlegt seine Sense schwingt, und ließ den Lauf auf Arkadis Kniekehlen niedersausen. Mit einem unterdrückten Schmerzensschrei brach sein Opfer zusammen.
    Wolowoi setzte sich auf die Pritsche und zündete sich eine Zigarette an. Er zog eine abgegriffene Illustrierte aus dem Bücherregal, schlug das doppelseitige Foto in der Mitte auf und klappte es gleich wieder zu. Abscheu und Ekel spiegelten sich auf seinem rosigen Gesicht.
    »Ich habe so was schon lange kommen sehen. Laut Ihrer Akte haben Sie ja schon einmal einen Menschen getötet. Jetzt wollten Sie desertieren, zur anderen Seite überlaufen, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Ihre Kameraden und Ihr Schiff entehren. Für Ihre Flucht haben Sie sich den schwächsten der Amerikaner als Helfershelfer ausgesucht, diesen Eingeborenen hier, und als er nicht spuren wollte, da haben Sie ihn umgebracht.«
    »Nein.«
    Wolowoi gab Karp einen Wink, und diesmal schmetterte der Trawlmaster Arkadi den Gewehrkolben zwischen die Rippen. Die Jacke dämpfte den Schlag zwar ein wenig, aber Karp war ein überaus kräftiger Mann und als Assistent mit Leib und Seele bei der Sache.
    »Der Abschiedsbrief, den Sina Patiaschwili hinterlassen hat«, sagte Wolowoi, »wurde im Bett der Toten gefunden. Ich habe mich persönlich bei Natascha Tschaikowskaia erkundigt, warum Sie nicht dort nachgesehen hätten. Natascha erklärte mir, das hätten Sie sehr wohl getan, und dennoch haben Sie den Brief nicht gemeldet.«
    »Weil er nicht da war.«
    Trotz der dumpfigen Kälte, die im Bunker herrschte, stand Wolowoi der Schweiß auf der Stirn. Zum einen schien die Kletterei ihn erhitzt zu haben, und zum anderen hatte Arkadi in der Vergangenheit öfter bemerkt, daß Verhöre für alle Beteiligten anstrengend sind. Im Schein der Lampe glänzte Wolowois Bürstenschnitt wie eine Dornenkrone. Karp, der die eigentliche Knochenarbeit leisten mußte, schwitzte noch stärker, wie Vulkan in seiner Schmiede.
    »Sind Sie beide mir gemeinsam gefolgt?« fragte Arkadi.
    »Hier stelle ich die Fragen. Er versteht immer noch nicht«, beklagte Wolowoi sich seufzend bei Karp.
    Der Trawlmaster boxte Arkadi in den Magen. Bislang war es nichts weiter als routinemäßige Polizeiarbeit, dachte Arkadi. Ein gutes Zeichen, offenbar wollte man ihn bloß einschüchtern und hatte jedenfalls nichts Endgültiges vor. Doch dann preßte Karp ihm den Schaft des Gewehrs so gegen den Hals, daß er sich nicht mehr bewegen konnte, und holte zu einem ernsthafteren Schlag aus, einem, der dazu ausersehen war, vorne einzudringen und hinten wieder herauszukommen.
    »Halt!«
    »Warum denn?« Karps Stiefel war schon für den nächsten Tritt gerüstet.
    »Warte.« Wolowoi lächelte nachsichtig, ein Führer konnte seinem Untergebenen schließlich nicht alles erklären.
    Arkadi rappelte sich hoch und stützte sich auf die Ellbogen. Es war wichtig, nicht völlig reglos vor seinem Peiniger liegenzubleiben.
    »Ich habe das

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