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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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alles vorausgesehen«, sagte Wolowoi wieder.
    »Resozialisierung mag ja in Moskau gut und richtig sein, aber wir sind hier sehr weit von Moskau entfernt. Hier draußen weiß man, daß, wer Steine umdreht, nur Schlangen aufscheucht. Wir werden ein Exempel statuieren.«
    »Und wofür?« Arkadi bemühte sich verbissen, das Gespräch in Gang zu halten.
    »Ein Exempel dafür, wie gefährlich es sein kann, Elemente Ihres Schlages zu ermuntern.«
    Arkadi schleppte sich bis vor die Werkbank, setzte sich aber nicht auf, denn er durfte auch nicht den leisesten Eindruck erwecken, daß es ihm zu wohl ginge. »Ich fühle mich in keiner Weise ermutigt«, sagte er. »Und an was dachten Sie bei diesem Exempel? An einen Prozeß?«
    »Bloß keinen Prozeß!« warnte Karp. »Sie haben ihn noch nicht vor einem Richter erlebt, Sie können sich nicht vorstellen, wie der Ihnen das Wort im Mund rumdreht.«
    »Ich habe diesen Jungen nicht umgebracht«, sagte Arkadi. »Und wenn Sie beide es auch nicht getan haben, dann spaziert der Mörder in diesem Moment seelenruhig den Hügel hinunter.«
    Er duckte sich, denn er sah den Kolben kommen, und so fegte Karp, statt ihm das Gesicht zu zermalmen, nur die Kanister von der Werkbank. Angst kroch in ihm hoch, denn das war nicht mehr die ihm bekannte, offiziell geduldete Verhörpraxis, wie man sie in russischen Polizeirevieren gewohnt war, sondern ein völlig unkontrollierter Racheakt.
    »Genosse Korobets!« herrschte Wolowoi den Trawlmaster an.
    »Ich warne dich, das ist genug.«
    »Wozu mit ihm reden?« begehrte Karp auf. »Der Kerl lügt ja doch bloß.«
    Wolowoi sagte zu Arkadi: »Der gute Korobets ist bedauerlicherweise kein Intellektueller, aber dafür ein außergewöhnlich tüchtiger Arbeiter, und er beugt sich den Direktiven der Partei - etwas, das Sie nie getan haben.«
    Bis auf den weißen Streifen auf seiner niederen Stirn, der die Stelle markierte, an der man ihm die Tätowierung wegoperiert hatte, war Karps Gesicht puterrot.
    »Meinen Sie damit Ihre Direktiven?« Arkadi schob sich näher an ein Schnitzmesser heran, das mit den Kanistern von der Werkbank gefallen war.
    »Wir haben ihn auf frischer Tat ertappt«, beharrte Karp wütend. »Er wollte fliehen, und er hat den Jungen umgebracht. Das reicht doch wohl. Wir brauchen ihn nicht am Leben zu lassen.«
    »Darüber hast nicht du zu entscheiden«, versetzte Wolowoi scharf. »Schwerwiegende Fragen müssen gestellt und beantwortet werden. Zum Beispiel: Wer hat den Kapitän überredet, Renko in einem ausländischen Hafen von Bord zu lassen, obwohl allgemein bekannt ist, was für ein gefährlicher und labiler Charakter dieser Renko ist? Ferner: Was hat Renko mit dieser Bande von Amerikanern ausgeheckt? Neues Denken mag nötig sein, um die Produktivität unserer Arbeit zu steigern, aber was die politische Disziplin angeht, da ist unser Staat bereits allzu lasch geworden. Noch vor einem Jahr hätte es niemand gewagt, Renko an Land gehen zu lassen. Darum ist es von so großer Wichtigkeit, ein Exempel zu statuieren.«
    »Ich habe nichts verbrochen«, sagte Arkadi.
    Wolowoi dachte darüber nach. »Nun, da wären einmal Ihre provokativen Ermittlungsmethoden, ferner Ihre trickreichen Bemühungen, den gutgläubigen Kapitän und die Mannschaft der Polar Star zu beeinflussen, und natürlich der Fluchtversuch. Und wer weiß, in was Sie sonst noch alles verstrickt sind? Wir werden das ganze Schiff auseinandernehmen, jedes Schott und jeden Tank rausreißen. Martschuk wird schon kapieren, was die Glocke geschlagen hat. Alle Kapitäne der Flotte werden das kapieren.«
    »Aber Renko ist doch kein Schmuggler«, wandte Karp ein.
    »Wer weiß? Außerdem - irgendwas finden wir immer. Wenn ich mit ihr fertig bin, wird die Polar Star nur noch für den Schrott taugen.«
    »Nennen Sie das etwa Umstrukturierung?« fragte Karp.
    Wolowoi riß die Geduld. »Halt du dich da raus, Korobets. Ich werde doch nicht mit einem Sträfling über Politik diskutieren.«
    »Dann will ich’s dir beibringen, Genosse!« Karp bückte sich nach dem Messer am Boden, bevor Arkadi es erreichen konnte, sprang mit einem Satz zur Pritsche und stieß Wolowoi die Klinge bis zum Heft in den Hals.
    »Nun weißt du, wie unter Sträflingen diskutiert wird«, keuchte Karp, während er Wolowois Hinterkopf packte und ihn mit aller Kraft gegen das Messer preßte.
    Wolowoi wehrte sich verzweifelt, ein Blutstrahl spritzte hinter ihm über die Wand. Das Gesicht des Ersten Maats verfärbte sich. In seinen

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