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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Stuhl aus dem Blickfeld rückte, ging Susan mit dem Glas in der Hand zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Der Spiegel über dem Waschbecken hing schief, und Arkadi stellte fest, daß er sich zufällig genau in den richtigen Winkel plaziert hatte, um Karps Spiegelbild sehen zu können. Der Trawlmaster, der um einen ganzen Kopf größer war als Susan, spähte über sie hinweg in die Kabine. Im trüben Hurlicht drängte sich seine restliche Deckbrigade wie ein Rudel hinter dem Leitwolf. Die Kabine war finster - finster genug, so hoffte Arkadi, daß niemand ihn sehen konnte.
    »Ich dachte, ich hätte hier drin Stimmen gehört«, erklärte Karp.
    »Wir wollten nur nachschauen, ob alles in Ordnung ist oder ob Sie vielleicht Probleme haben.«
    »Die Probleme werden Sie kriegen«, versetzte Susan, »wenn ich zum Kapitän gehe und ihm berichte, daß seine Männer gewaltsam in meine Kabine eingedrungen sind.«
    »Verzeihen Sie mir.« Karp schien Arkadi direkt ins Gesicht zu blicken. »Aber es war doch nur zu Ihrem Besten. Ein Irrtum, weiter nichts. Bitte entschuldigen Sie uns jetzt.«
    »Oh, Sie sind entschuldigt, meine Herren!«
    »Das klingt hübsch.« Karp behielt seinen Fuß in der Tür und lauschte der verhaltenen Männerstimme und der sie begleitenden Gitarre. Nach einer Weile blickte der Trawlmaster auf Susan hinunter, und sein anerkennendes Lächeln wich einem Ausdruck der Besorgnis. »Ich bin zwar nur ein einfacher Seemann, doch ich muß Sie warnen.«
    »Weswegen?«
    »Es tut nicht gut, wenn einer mit sich allein trinkt.«
    Lange nachdem Susan die Tür wieder geschlossen hatte, verharrte Arkadi noch reglos auf seinem Platz. Die Stiefel draußen entfernten sich zwar, aber zu sehr im Gleichschritt. Er hörte, wie Susan durch die Kabine tappte und den Kassettenrecorder lauter stellte. Der Liedtext erschien ihm seltsam glatt und nichtssagend. Er hörte sie ihr Glas abstellen, es klang, als sei es leer. Nach sechs Monaten in diesem engen Kabuff fand sie sich auch im Dunkeln mühelos zurecht. Wieder machte sie ein paar Schritte, und dann spürte er ihre Finger auf seiner schweißglänzenden Stirn. »Sind die hinter Ihnen her?« flüsterte sie.
    Behutsam legte er ihr die Hand auf den Mund. Mindestens einer stand draußen immer noch Wache, dessen war er ganz sicher. Susan faßte sein Handgelenk und schob seine Hand in ihre Bluse.
    Ihre Brüste waren erstaunlich klein. Er zog seine Hand wieder heraus, um ihr die Bluse ganz aufzuknöpfen. Als sie seinen Kopf an sich zog, spürte er, wie ihr Körper weich wurde und nachgab. Er küßte ihr Gesicht und hob sie hoch. Wenn es möglich war, zu jenem Augenblick in Dutch Harbor zurückzukehren, bevor er sie so abrupt verlassen hatte, dann hatten sie diesen Punkt jetzt erreicht.
    Sie schien leicht wie eine Feder. Lautlos versank der Rest der Welt, als spiele die Kassette in einem anderen Raum und als befände der Spitzel draußen im Gang sich auf einem anderen Schiff auf einem anderen Meer. Bluse und Jeans fielen geräuschlos zu ihren Füßen nieder. War es so, wie eine Frau sich anfühlte? Das feuchte Haar im Nacken? Zähne, die zubissen, während die Lippen sich gleichzeitig hungrig öffneten? Wie lange war es her?
    Seine Jacke und die übrige Kleidung glitten zu Boden, abgestreift wie eine alte Haut. Vielleicht erkannte man daran, daß man noch lebendig war, an dem Herzen, das einem in der Brust hämmerte, an dem Echo eines zweiten Herzens, das von außen Antwort gab und einen doppelt lebendig machte. Sein Körper reagierte wie der eines anderen Mannes, der lange verschüttet gewesen war und nun, da man ihn freiließ, die Führung übernahm. Er selbst ließ sich willenlos treiben. Sie klammerte sich an ihn, umschlang ihn mit Armen und Beinen. Benommen taumelten sie gegen das Schott, und dann war er in ihr.
    An welchem Punkt schwindet Feindschaft, wandelt sich und wird zu Begehren? Ist Leidenschaft so austauschbar, oder tarnt sie sich nur bisweilen? Warum trägt Argwohn die Antwort auf alle bangen Fragen bereits in sich? Woher hatte er gewußt, daß sie so riechen würde?
    »Ich wußte, daß ich in Schwierigkeiten bin«, wisperte sie. »Als ich das von Wolowoi und Mike hörte, war mein erster Gedanke, wie geht’s Arkadi?« Sie preßte sich an ihn, als fürchte sie um ihr Leben, und gleichzeitig nahmen ihre Muskeln ihn noch fester gefangen. Er stützte sie und half ihr, sich zu bewegen. In ihrer stehenden Vereinigung waren sie wie zwei Seiltänzer im Dunkeln, die so hoch oben

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