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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Arkadi zu sich heran. »Renko, haben Sie diesen Ausführungen etwas hinzuzufügen?«
    Arkadi überlegte einen Moment und sagte: »Nein.«
    »Würden Sie dann bitte auch unterschreiben?« Martschuk streckte ihm einen dicken Füllfederhalter hin, einen Monte Cristo, genau das Richtige für einen Kapitän.
    »Nein.«
    Martschuk schraubte den Federhalter wieder zu. Diese Angelegenheit wurde offenbar komplizierter, als er erwartet hatte.
    Der Invalide goß sich Wasser nach und sagte: »Da Renko nicht die Hauptarbeit erledigt hat und da die in dem Bericht niedergelegten Empfehlungen allein vom Dritten Maat stammen, ist Renkos Unterschrift wohl auch gar nicht erforderlich.«
    »Einen Moment noch.« Martschuk wandte sich wieder an Arkadi. »Sie sind also dagegen, daß wir die Aufklärung der letzten Ungereimtheiten den Behörden in Wladiwostok überlassen?«
    »Nein.«
    »Was stört Sie denn dann?«
    »Bloß …« Arkadi suchte nach der treffenden Formulierung, »… bloß die Fakten.«
    »Ah.« Zum erstenmal setzte sich der Mann im hellbeigen Sweater auf, als habe er endlich ein Wort in einer Sprache gehört, die auch er verstand.
    »Oh, Verzeihung. Genosse Renko, das ist Elektroingenieur Hess von der Flotte«, stellte Martschuk ihn vor. »Ich habe den Genossen Hess gebeten, heute abend seinen scharfen Verstand in den Dienst unserer Sache zu stellen. Wenn Sie nun ihm und mir erklären wollen, wie es möglich ist, daß Sie Bukowskis Schlußfolgerungen zustimmen, aber nicht einverstanden sind mit den von ihm dargelegten Fakten?«
    Die Polar Star hatte die Flotte seit sechs Wochen nicht mehr gesehen und würde ihr erst frühestens in einem Monat wieder begegnen. Arkadi hätte gern gewußt, wo Hess die ganze Zeit über gesteckt hatte, doch zunächst konzentrierte er sich auf die Frage des Kapitäns.
    »Sina Patiaschwili starb in der Nacht, als an Bord das Fest stattfand«, sagte Arkadi. »Da sie von niemandem unter Deck auf dem Weg zu ihrer Kabine gesehen wurde, ist sie vermutlich entweder in ein anderes Quartier nach achtern gegangen oder, wie der Dritte Maat meint, rauf an Deck. Aber wenn jemand ohnmächtig wird, dann fällt er um und nimmt nicht Anlauf, um über ein Geländer zu hechten, das Sina bis zur Brust gereicht haben dürfte. Für einen Tod durch Ertrinken gibt es eindeutige Anzeichen, Sinas Leiche weist keine davon auf, und wenn die in Wladiwostok ihre Lunge öffnen, werden sie vergeblich nach Salzwasser suchen. Male, wie wir sie an der Leiche gefunden haben - die Verfärbungen an Unterarmen, Schenkeln, Brüsten und Bauch -, entstehen so erst nach Eintritt des Todes. Der bereits leblose Körper muß längere Zeit irgendwo zusammengekrümmt gelegen haben; und die Prellungen an Hüften und Brustkorb stammen nicht vom Aufprall gegen ein Geländer, sondern daher, daß man die Tote brutal gegen irgendeinen harten Vorsprung geschleudert hat. Ich will damit sagen, Sina wurde auf der Polar Star getötet und an Bord versteckt. Was nun den Einstich in der Bauchdecke angeht, der wurde der Toten mit einem scharfen Messer, und zwar mit einem einzigen Stoß beigebracht. Die Wunde weist weder Kratzer noch Risse auf, und es ist auch kaum Blut ausgetreten. Ich würde sagen, diesen Messerstich versetzte man ihr, kurz bevor sie über Bord geworfen wurde, um zu verhindern, daß der Leichnam wieder an die Oberfläche steigen würde. Daß ihr nicht erst das Netz den Schnitt zugefügt haben kann, beweist ferner der Umstand, daß sich bereits dreißig Faden tief auf dem Meeresgrund Schleimaale durch die Wunde in den Bauchraum bohren und dort einnisten konnten.«
    »In Ihrem Bericht steht aber gar nichts von Schleimaalen«, sagte Martschuk zu Slawa. Fischer grausten sich vor Schleimaalen, das war allgemein bekannt.
    »Wollen Sie noch mehr hören?« fragte Arkadi.
    »Bitte.«
    »Sinas Kolleginnen behaupten im Verhör, Sina sei ein unermüdliches Arbeitstier gewesen, doch die Amerikaner haben ausgesagt, sie sei jedesmal, ob bei Tag oder bei Nacht, an der Heckreling erschienen, wenn die Eagle ein Netz brachte. Oft fiel die Übergabe in Sinas Schicht, was bedeutet, daß sie ihre Arbeit liegenließ, wann immer es ihr paßte, und für eine halbe Stunde verschwand.«
    »Soll das etwa heißen, Russen lügen und Amerikaner sagen die Wahrheit?« fragte Wolowoi, als gelte es, sich über spitzfindige Unterscheidungskriterien klarzuwerden.
    »Nein. Sina war auf dem Fest mit den Amerikanern von der Eagle zusammen, sie tanzten miteinander, man unterhielt

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