Polar Star
unseren Überlegungen die Prioritäten im Auge behalten. Dieses Gemeinschaftsprojekt, das wir mit den Amerikanern in Angriff genommen haben, ist bislang einzigartig. Aber nicht jeder begrüßt eine solche Zusammenarbeit. Unsere erste Frage sollte also lauten: Was wird aus unserer Mission? Was wird aus der internationalen Kooperation, wenn Gerüchte aufkommen, die besagen, daß man Russen, die mit Amerikanern fraternisieren, den Bauch aufschlitzt und sie über Bord wirft? Wir sollten uns jetzt und hier um ehrliche und aufrichtige Leistung bemühen und nicht nur auf Wladiwostok vertrauen. Der Dritte Maat Bukowski hat viel Energie bewiesen, aber er verfügt über keine Fachkenntnis auf diesem Sektor. Die hat niemand von uns, ausgenommen Renko. Lassen Sie uns mit mehr Selbstvertrauen an den Fall herangehen; bemühen wir uns, ihn aufzuklären.«
Arkadi erschien dieser Appell wie ein kleines Wunder. Dieses eine Mal hatte der Invalide die Debatte nicht für sich entschieden.
Wolowoi sagte: »Manchmal müssen momentane Gerüchte, so häßlich sie auch sein mögen, ignoriert werden. Es gilt, die Situation unter Kontrolle zu halten, statt den Vorfall aufzubauschen oder publik zu machen. Bedenken Sie doch: Wenn diese Patiaschwili ermordet wurde, wie Renko behauptet, dann haben wir es mit einem Kapitalverbrechen zu tun. Wenn wir die Untersuchung an Bord vorantreiben - sei sie nun intelligent oder stümperhaft geführt -, was wird dann die natürliche Reaktion des Schuldigen sein? Angst und Panik? Vermutlich wird der Betreffende alles daransetzen, um zu fliehen. Wenn wir aber erst einmal in Wladiwostok sind, hat er dazu keine Chance mehr. Denn bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung in unserem eigenen Hafen ist er sicher in unserer Hand. Hier draußen sieht die Sache ganz anders aus. Hier haben wir das offene Meer gegen uns, die amerikanischen Schiffe und, am allergefährlichsten, einen amerikanischen Hafen. Übereifriges Handeln hier an Bord würde den Täter höchstens zu einer Verzweiflungstat hinreißen. Wäre es nicht denkbar, ja sogar logisch, daß ein Verbrecher, der fürchten muß, entlarvt zu werden, sich in Dutch Harbor absetzt und versucht, der sowjetischen Justiz zu entkommen, indem er behauptet, er suche um politisches Asyl nach? Ist das nicht der wahre Beweggrund vieler sogenannter Flüchtlinge? Die Amerikaner sind unberechenbar. Sowie eine Situation politisch wird, gerät sie außer Kontrolle, wird zur Zirkusfarce, in der Lügen und Wahrheit ununterscheidbar sind. Natürlich würde man uns den Mann über kurz oder lang ausliefern, aber dürfen wir riskieren, daß ein sowjetisches Schiff in einem solchen Licht erscheint? Mord? Skandal? Genossen, niemand wird bestreiten, daß unsere Mannschaft unter normalen Bedingungen nach vier Monaten harter Arbeit auf See ihren Landgang verdient hat. Trotzdem möchte ich nicht der Kapitän sein, der Prestige und Mission einer gesamten Flotte aufs Spiel setzt, nur damit seine Leute ausländische Joggingschuhe und Uhren einkaufen können.«
Nach dieser fabelhaften Pionierarbeit des Invaliden hielt Arkadi den Streitfall für begraben. Aber Hess konterte prompt.
»Lassen Sie uns die Probleme gesondert betrachten. Eine Untersuchung an Bord schafft unter Umständen einen Ausnahmezustand, und in einem Ausnahmezustand käme ein Landgang natürlich nicht in Frage. Mir scheint, die Lösung des einen könnte uns auch im anderen Punkt weiterbringen. Wir sind noch anderthalb Tage von Dutch Harbor entfernt, Zeit genug, um eindeutigere Schlüsse über den Tod dieses armen Mädchens zu ziehen. Wenn uns der Fall in sechsunddreißig Stunden immer noch verdächtig erscheint, können wir der Mannschaft den Landgang streichen. Wenn nicht, wollen wir ihnen den wohlverdienten Tag im Hafen gönnen. So oder so wird niemand entkommen, und wir können immer noch die umfassende Untersuchung abwarten, wenn wir nach Wladiwostok zurückkehren.«
»Was ist mit Selbstmord?« fragte Slawa. »Was ist, wenn sie über Bord gesprungen ist, durch den Treppenschacht oder wo auch immer?«
»Was meinen Sie dazu?« wandte Hess sich an Arkadi.
»Selbstmord ist immer ein Grenzfall«, sagte Arkadi. »Es gibt den Selbstmörder, der Komplizen preisgibt, ehe er die Garagentür zusperrt und seinen Wagen anläßt. Oder den Selbstmörder, der >Nieder mit dem sowjetischen Schriftstellerverband!< auf die Küchenwand pinselt, bevor er seinen Kopf in den Ofen steckt. Sogar den Soldaten, der sagt: >Betrachtet mich als guten
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