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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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beiseite.
    »Ich wünschte, er wäre eine Fahrkarte. Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Eine Stunde, vielleicht auch zwei. Erzählen Sie mir von Sina.«
    Sie wischte ihm den Schweiß von der Stirn und drückte seinen Kopf sacht in die Kissen zurück. Seine Hand war noch verkrampft, so fest hatte er das Messer umklammert, und sie begann, seine Finger zu massieren. »Selbst wenn Sie sich irren, mir gefällt es, wie Sie denken.«
    »Wirklich?«
    »Es ist, als hörte man jemanden Klavier spielen. Warum ist sie auf die Polar Star gekommen - um diese Steine zu schmuggeln?«
    »Nein, die waren nicht wertvoll genug. Natascha, ich möchte das Messer wiederhaben.«
    »Aber für sie allein hätten die Steine doch vielleicht genug eingebracht.«
    »Sowjetische Diebe arbeiten nur selten allein. Einen sowjetischen Verbrecher finden Sie fast nie allein auf der Anklagebank. Da marschieren immer gleich zehn oder gar zwanzig zusammen.«
    »Wenn es kein Unfall war - und ich behaupte nicht eine Sekunde lang, daß es etwas anderes gewesen ist -, dann war es vielleicht ein Verbrechen aus Leidenschaft.«
    »Dafür war es ein zu glatter Mord. Und er war geplant. Damit sich Blutergüsse bilden konnten, wie wir sie an der Leiche gefunden haben, muß sie mindestens einen halben Tag auf engstem Raum verstaut gewesen sein, bevor sie ins Wasser kam. Das heißt, man mußte sie irgendwohin in ein Versteck schaffen und dann noch einmal transportieren, um sie über Bord zu werfen. An dem fraglichen Tag haben wir aber noch wesentlich mehr Fang gemacht als jetzt; es waren ständig Leute an Deck.«
    Arkadi hielt inne, um Atem zu schöpfen. Nataschas Massage unterschied sich kaum von einer Folter.
    »Nur weiter«, ermunterte Natascha ihn.
    »Sina hat mit den Amerikanern angebändelt, und das konnte sie nur mit Wolowois Zustimmung. Sie muß also für ihn Kurierdienste geleistet haben. Darum brauchte sie auch keine Verweise von seiten des Küchenpersonals zu befürchten. Denen hatte man nämlich klargemacht, daß sie ungehindert und nach eigenem Gutdünken auf dem Schiff herumstreifen dürfe. Und Olimpiada hat sie vermutlich bei Laune gehalten, indem sie sie mit Schokolade und Schnaps versorgte. Aber warum ging Sina immer dann zum Heck, wenn die Eagle ein Netz übergab? Und zwar nur, wenn die Eagle ihren Fang ablieferte? Nie, wenn ein anderes Boot festmachte? Um einem Mann zuzuwinken, mit dem sie vielleicht alle zwei, drei Monate einen Abend lang tanzen konnte? Ist Slawas Kapelle wirklich so gut? Vielleicht sollte man die Frage umgekehrt stellen. Wonach hielten die Amerikaner Ausschau, wenn sie ihren Fisch ablieferten?«
    Arkadi verschwieg die Möglichkeit, daß es auf der Polar Star eine geheime Nachrichtenstation geben könnte. Auf dem Band hatte der Leutnant Sina in die Station eingeladen, während die Polar Star ein Netz an Bord holte. Arbeitete die Horchstation vielleicht nur, wenn gerade keine Netze übernommen wurden? Hatte es mit den Netzen oder den Amerikanern zu tun?
    »Wie auch immer«, sagte er, »Amerikaner, mehrere Liebhaber, Wolowoi - eine Menge Leute haben Sina benutzt oder wurden von ihr benutzt. Wir brauchen gar nicht brillant zu sein; es kommt nur darauf an, das System zu erkennen.«
    Er erinnerte sich an ihre Stimme auf dem Band: »Der eine denkt, er kann mich herumkommandieren. Der zweite denkt ebenfalls, er kann mich herumkommandieren …« Arkadi zählte nach. Vier Männer, und darunter war einer, von dem Sina gewußt hatte, daß er ein potentieller Mörder war.
    »Was denn für Leute?« fragte Natascha.
    »Zum einen ein Offizier. Der könnte um seinen Ruf gefürchtet haben.«
    »Und wer ist das?« Natascha war sichtlich erschrocken.
    Er schüttelte den Kopf. Seine Hände waren gerötet, als hätte er sie gerade in kochendes Wasser getaucht. So fühlten sie sich auch an.
    »Was glauben denn Sie?« fragte er zurück.
    »Was den Ersten Maat betrifft, so bin ich nicht Ihrer Meinung. Die Amerikaner, nun, die müssen selbst Rede und Antwort stehen. Aber was Olimpiada und die Schokolade angeht - da haben Sie vielleicht recht.«
     
    Als er das nächste Mal aufwachte, war Natascha wieder da. Sie hatte einen riesigen Samowar mitgebracht, eine silbrig glänzende Teemaschine mit einem Hahn wie einer Nase und Wangen, die wohlige Wärme ausstrahlten. Während sie aus dampfenden Gläsern ihren Tee tranken, säbelte Natascha dicke Scheiben von einem runden Brotlaib.
    »Meine Mutter hat Lastwagen gefahren. Erinnern Sie sich, wie wir damals unsere

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