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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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einen Arm über die Reling, um sich abzustützen. Dies würde kein zwangloser Bummel an Deck werden. Auf dem Gang, den Arkadi jetzt antrat, würde er reichlich Zeit haben, übers Ertrinken nachzudenken und über die Angst, die auf ihm lastete wie ein klammes Leichentuch. Er maß sein Vorwärtskommen an der Entfernung zur Werkstatt. Die Brücke war ein allzu entlegenes Ziel, das er im Nebel ohnehin nur verschwommen erkennen konnte.
    »Ach, der Literaturfreund.«
    Arkadi wandte sich nach der Stimme um. Er hatte Susan nicht kommen hören.
    »Machen Sie einen kleinen Spaziergang?«
    »Ich liebe die Seeluft.«
    »Sie sehen ganz danach aus.« Sie lehnte sich neben ihn an die Reling, schob ihre Kapuze zurück und steckte sich eine Zigarette an. Dann hielt sie ihm die Streichholzflamme dicht vor die Augen.
    »Um Gottes willen!«
    »Immer noch rot?«
    »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
    Seine Muskeln waren noch immer verkrampft, fühlten sich abwechselnd taub und brennend an. So beiläufig wie möglich griff er nach dem Geländer. Wenn er seinen Beinen einen würdevollen Abgang zugetraut hätte, wäre er einfach weitergegangen und hätte sie stehenlassen. »Ich habe bloß versucht, in neuen Kategorien zu denken. Dabei habe ich mich wohl überanstrengt.«
    »Oh, jetzt verstehe ich«, sagte Susan und blickte sich auf dem Deck um. »Wir sind hier am Schauplatz des Unfalls. Es ist doch nach wie vor ein Unfall, oder?«
    »Einer der ungeklärten Art«, schränkte Arkadi ein.
    »Ich bin sicher, daß Sie die richtige Erklärung finden werden. Die hätten Sie nicht ausgesucht, wenn sie nicht wüßten, daß Sie’s können.«
    »Danke für Ihr Vertrauen.« Er spürte, wie seine Knie verräterisch nachgaben. Warum zog sie denn nicht endlich ab, wenn sie ihn so sehr verachtete?
    »Ich hab mich nur gefragt .«, sagte sie.
    »Ach, auf einmal fragen Sie sich was?«
    »Na ja, Sie haben die Fischer auf den Fangbooten befragt. Waren die nicht schon alle runter von der Polar Star, als das mit Sina passierte?«
    »Scheint so.« Sie will’s tatsächlich wissen, dachte er.
    »Sie meinen es wirklich ernst, stimmt’s? Wie ich höre, läuft Slawa überall herum und sucht nach einem Abschiedsbrief, Sie dagegen stolpern durch die Gegend, als wollten Sie wirklich herausfinden, was passiert ist. Warum?«
    »Das ist uns allen ein Geheimnis.« Obgleich er einen Geschmack im Mund spürte, als hätte er einen ganzen Benzintank verschluckt, verspürte er dennoch das Verlangen nach einer Zigarette. Er klopfte seine Taschen ab.
    »Da.« Susan steckte ihm ihre Zigarette zwischen die Lippen und trat dann einen Schritt von der Reling zurück. Zuerst dachte er, sie suche Abstand von ihm, aber dann sah er, daß die Eagle aus dem Nebel aufgetaucht war und längsseits beidrehte. Als der Trawler näher kam, erkannte er George Morgan auf der abgedunkelten Brücke. Auf dem erleuchteten Deck stopften zwei Fischer in Regenmänteln Abfall in zerrissene Netze und schickten sich an, den Müll ins Meer zu werfen. Arkadi erkannte Coletti an seiner mürrischen Miene; der andere, der mit dem freimütigen Lächeln, war Mike. Der Aleute sah genauso aus wie auf Sinas Foto: arglos und ein bißchen einfältig.
    Das Deck, auf dem die Männer arbeiteten, war naß, überall lagen glitschige Flundern und Krabben herum, der unverwertbare Abfall vom letzten Fang. Obwohl der Trawler weit stärker stampfte als die Polar Star, standen die Amerikaner wie festgewachsen auf Deck, mit vorgeneigtem Oberkörper und festen Knien. Zwischen den beiden Schiffen flatterte ein Vogelschwarm, der wie gewöhnlich aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien. An die hundert mochten es sein - Seeschwalben mit schwarzgefiedertem Schopf, Sturmvögel mit maskenartiger Kopfbildung und milchweiße Möwen, die sich hoch über den anderen im Wind schaukelten. Es sah aus, als hätte jemand einen Papierkorb über Bord geleert und die Blätter wären dem Schiff nachgeflogen und hielten nun mit ihm Schritt. Sobald ein Vogel auch nur ein kleines bißchen tiefer ging, paßte der ganze Schwarm sich ihm kreischend und mit schimmerndem Flügelschlag an.
    Mike winkte, und da erst merkte Arkadi, daß eine dritte Person sich zu ihm und Susan an die Reling gestellt hatte. »Ich habe jemanden gefunden, der mit Ihnen reden möchte«, flüsterte Natascha ihm ins Ohr. »Ich wollte Sie aus Ihrer Kabine holen, aber Sie waren schon fort. Warum sind Sie aufgestanden?«
    Als er eben ansetzte, ihr die heilsame Wirkung frischer Luft zu

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