Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
leichter durch die Tür bugsieren zu können. Sie war erschrocken, aber auch angewidert, wie wohl jeder angesichts eines sinnlos Betrunkenen. »Sie haben sich halb totgelacht.«
    Als Israel Israelowitsch behutsam Arkadis Finger massierte und Natascha seine Zehen warmrieb, reagierte ihr Patient mit Erfrierungskrämpfen. In der Miene des Fabrikleiters kämpften Hohn und Enttäuschung, als er jetzt in Arkadis Augen blickte, die rot waren und verquollen von den Benzindämpfen.
    »Bei jedem anderen hätte ich ja damit gerechnet, daß er ein Säufer oder Schnüffler ist, aber bei Ihnen wirklich nicht«, sagte Israel. »Geschieht Ihnen ganz recht, daß Sie im Rausch in den Kühlraum geraten sind und dort beinahe erfroren wären.«
    Als die Taubheit aus seinem Körper wich, begann er an allen Gliedern zu zittern; ihm war, als brenne seine Haut lichterloh und als müßten seine Kapillargefäße jeden Augenblick zerplatzen. Zum Glück war von seinen Kabinenkameraden keiner da, als Israel und Natascha ihn in die Kabine geschafft und auf die untere Koje gebettet hatten. Jede Berührung verursachte ihm Schmerzen, und als sie ihn in warme Decken packten, war das ein Gefühl, als wickele man ihn in Glassplitter.
    Fischschuppen blitzten vom Pullover und aus Israels Bart; er war geradewegs von der Schmutzbrigade hergeeilt, um Natascha zu helfen, die Arkadi möglichst unauffällig in seine Kabine schaffen wollte. »Wahrhaftig, man sollte Benzin, Farbe und Verdünnungsmittel genauso verschließen wie teure ausländische Schnäpse!«
    »Männer sind eben schwach«, gab Natascha zu bedenken.
    Israel schüttelte mißmutig den Kopf. »Ein Russe ist wie ein Schwamm. Seine wahre Gestalt kennt man erst, wenn er sich vollgesogen hat. Aber ich dachte, Renko sei anders.«
    Natascha hauchte ihren warmen Atem auf jeden nackten Zeh und massierte ihn dann liebevoll. Arkadi kam es vor, als würden ihm glühende Nadeln unter die Nägel getrieben. »Vielleicht sollten wir ihn zu Dr. Wainu bringen«, schlug sie vor.
    »Nein«, preßte Arkadi mühsam hervor. Seine Lippen waren wie Gummi, auch dies eine Nachwirkung der Dämpfe.
    Israel brummte: »Ich habe Sie freigestellt, weil Sie diese Untersuchung für den Kapitän durchführen sollten, und nicht, damit Sie völlig durchdrehen.«
    »Sina war im Kühlraum«, sagte Natascha zu Israel.
    »Wo sollten wir sie denn sonst hintun? Sagten Sie nicht vorhin, er hätte Feuer gelegt?« Israel war sichtlich besorgt. »Hat er womöglich Fisch aufgetaut?«
    »Ach was, er konnte ja nicht mal sich selbst auftauen.« Natascha widmete sich einem Zeh, der besonders blau war.
    »Wenn er mir was vom Fisch ruiniert hat …«
    »Ach, verfluchter Fisch! Entschuldigung«, sagte sie.
    »Ich meine ja bloß, wenn einer sich umbringen will, von mir aus - aber bitte nicht in meinem Fischraum.« Israel nahm Arkadis andere Hand und nibbelte sie kräftig.
    Natascha kam ein Gedanke, der ihr sichtlich unangenehm war, denn ihre Stirn legte sich in düstere Falten. »Hat das was mit Sina zu tun?«
    »Nein«, log Arkadi. Geht weg, laßt mich allein, wollte er sagen, aber mehr als ein Wort auf einmal konnte er nicht durch die klappernden Zähne pressen.
    »Haben Sie dort unten was gesucht?« fragte sie weiter.
    »Nein.« Wie hätte er ihr auch erklären sollen, daß er hinter einem Leutnant her war, der womöglich gar nicht existierte? Er mußte dieses Zittern unterdrücken und seinen traumatisierten Nerven ein bißchen Ruhe verschaffen; dann würde er wieder anfangen können, Fragen zu stellen.
    »Vielleicht sollte ich den Kapitän verständigen«, sagte Israel.
    »Nein!« Arkadi versuchte, sich aufzurichten.
    »Schon gut, schon gut. Das scheint ja wohl das einzige Wort zu sein, das Sie behalten haben«, sagte Israel. »Und sollte das Ganze ein Überfall gewesen sein, würde es mich nicht wundern. Ich bin zwar nicht einer Meinung mit der Mannschaft, aber die Leute sind nun mal aufgebracht wegen dieses Gerüchts, daß es Ihretwegen nichts wird mit Dutch Harbor. Was glauben Sie wohl, warum die Leute auf diesem Scheißkahn anheuern? Etwa wegen der Fische? Wollen Sie die Mannschaft allen Ernstes um ihren Landurlaub bringen, bloß um rauszukriegen, was mit Sina passiert ist?
    Mann, dieses Schiff wimmelt von verrückten Weibern. Warum regen Sie sich derartig über die Geschichte auf?«
    Als das Zittern endlich nachgelassen hatte, versank Arkadi in einen komaartigen Zustand. Er sah noch, daß man ihm die steifgefrorenen Sachen ausgezogen und ihn in

Weitere Kostenlose Bücher