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Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Henry
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grünes Licht. Er neigte sich zu ihr, sie wich nicht zurück. Was er erwartet hatte, wusste er nicht genau. Ihre Lippen waren rissig, spröde von der Kälte. Er kannte sie nicht anders, aber definitiv hatte er nicht erwartet, dass rissige, spröde Lippen nach Vanilleeis schmeckten. Es war mehr Staunen als alles andere, das ihn dazu bewegte, seinen Mund länger als beabsichtigt auf ihren zu drücken, die Lippen zu öffnen, diesen Geschmack in sich aufzunehmen. Ein leises Grollen, das es mit dem Brummen des Polarlichtes aufnehmen konnte, kam aus seiner Kehle.
    Verflucht. Er wollte das nicht.
    Er wollte das mehr als alles andere.
    Er packte sie, zog sie an seinen Körper. Sie fühlte sich so gut an. Anschmiegsam, durch all die Stofflagen, die ihn umgaben, durch all die toten Tierfelle, die sie umgaben. Mann und Frau, zusammengepfercht auf engstem Raum, auf einer Insel aus Bretterwänden inmitten einer Eiswüste. Er wollte sie um jeden Preis, wollte mit ihr der Einsamkeit ein Ende setzen. Das war in diesem Moment wichtiger, als die Luft zum Atmen. Er war in dieses verrückte Land gekommen, weil er Einsamkeit gesucht hatte. Jetzt konnte er die Einsamkeit keinen Herzschlag länger ertragen. Er wollte nie vergessen, wie sich ihr zarter Körper in seinen Armen in diesem Augenblick anfühlte.
    Er konnte sich nicht von ihr lösen, also drückte er die Tür der Schutzhütte mit einem Fuß auf und schob Kaya rückwärts hinein. Schloss die Tür mit der Hüfte, seine Lippen wie festgeschweißt auf ihren. Er schob sie gegen den roh gezimmerten Tisch. Eine einzige Kerze in einem Halter an der Wand sorgte für schwaches, unstetes Licht. Als mit einem Poltern der kleine Gaskocher umfiel, schien Kaya mit einem Schlag wie aus einer Trance zu erwachen. Sie entwand sich ihm, wich zur Seite aus und griff nach dem Kocher, als sei es ein Rettungsanker. Ihre Finger zitterten, als sie das Gerät wieder aufrichtete. Er bemerkte ihre Bemühungen, seinem Blick auszuweichen.
    „Nicht“, sagte sie leise.
    „Kaya …“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nicht.“
    „Du willst es doch auch.“
    „Nein. Nein, ich will das nicht. Ich … ich kann das nicht. Das ist nicht richtig.“
    Er ließ nicht zu, dass sie vor ihm zurückwich. Er wollte sie. Sein Körper brannte, sehnte sich nach ihr. Er würde den Teufel tun, es noch länger zu unterdrücken, weil er wusste, dieses Brennen würde ihn zerstören, wenn er nicht nachgab. Er zog die Handschuhe aus und packte sie erneut. Eine Hand krallte sich in ihre Hüfte, mit der anderen schob er die Kapuze zurück, ließ seine Finger einen Augenblick lang auf ihrer Wange verweilen, spürte, wie das Blut die Kälte vertrieb und ihre Haut warm wurde. Sie sah jetzt fast verängstigt aus. Er wollte nicht, dass sie Angst vor ihm hatte. Also küsste er sie. Zart. Seine Zunge bettelte darum, dass sie ihn einließ. Kaya weigerte sich. Seine Finger glitten an ihrer Wange hinab, über ihren Hals in ihren Nacken, erspürten Wärme und Zittern, ertasteten das schmale Lederband um ihren Hals. Er unterbrach den Kuss, hakte den kleinen Finger unter das Bändchen und zog es hervor. Ein Anhänger kam zum Vorschein. Eine winzige Schnitzarbeit aus Elfenbein, vielleicht Walrosszahn, er kannte sich damit nicht aus. Kayas Hand schoss hoch und umschloss das kleine Schmuckstück.
    „Das ist hübsch“, sagte er.
    Sie nickte und schluckte. „Ein Geschenk.“
    Er wollte nicht drängen, sah sie nur an, sah die Feuchtigkeit auf ihren Lippen, die sein Kuss hinterlassen hatte, und kämpfte gegen den Drang, sie noch einmal zu küssen.
    „Von meinem Mann“, flüsterte sie.
    Das gewisperte Geständnis glich einem Schlag ins Gesicht. Ihr Mann? Der Boden unter ihm geriet ins Schwanken, aber es war nicht das Eis, das brach. Es war seine Fassung, die an den Rändern zu bröckeln begann.
    „Du bist verheiratet?“
    Sie nickte verkrampft, die Finger um den Anhänger verkrallt.
    Er ließ sie los. Das Schwanken verstärkte sich, schloss die ganze Hütte ein. Er widerstand dem Drang, die Kante des Holztischs zu fassen, um sich und das, was von seiner Fassung übrig war, zu stützen. Die Wirklichkeit holte ihn mit Riesenschritten ein, packte ihn, schüttelte ihn und drückte ihm die Luft aus den Lungen. Er musste zweimal tief durchatmen, ehe er wieder sprechen konnte. „Entschuldigung. Das habe ich nicht gewusst. Es wird nicht mehr vorkommen.“
    Er hatte sich ja auch nicht bemüht, so ein winziges Detail über sie herauszufinden. Nun stand er vor

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