Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Henry
Vom Netzwerk:
daran nicht lag. Der große, silbrig glänzende Fisch zappelte noch und passte nicht durch das Loch. Mit der freien Hand holte er sein Klappmesser aus der Hosentasche und schlug mit dem Knauf auf das Eis ein. Kleine Stücke brachen ab, nicht genug, und der Fisch kämpfte weiter um sein Leben. Jeden Moment konnte er sich losreißen. Dann saß Kaya plötzlich neben ihm auf dem Hintern und hackte mit den Fersen auf das Eis ein.
    „Pass auf!“, schnaufte er. „Brich nicht ein.“
    „Für mich ist das Loch zu klein, aber nicht für den da!“ Zielstrebig vergrößerte sie die Öffnung im Eis, bis Silas endlich den Fisch herausziehen konnte. Schnappend und mit der Schwanzflosse schlagend lag der prächtige Heilbutt endlich auf dem Eis. Silas fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe und zwinkerte Kaya zu. „Bist du sicher, dass du keinen Hunger hast?“
    „Das habe ich nie gesagt“, erwiderte sie.
    „Okay, Arbeitsteilung. Ich klaue Issitoq den Fisch und du nimmst ihn aus.“
    „Und du glaubst, dass ich das kann?“
    „Todsicher.“
    Ihr Lächeln war der Lohn für den Jäger, der eigentlich ein Dieb war. Er packte den nun ruhig liegenden Fisch am Schwanz und trug ihn zurück zur Schutzhütte. Kaya war dicht neben ihm. Plötzlich hielt sie ihn am Arm fest. „Bleib stehen.“
    „Was?“
    „Da ist was!“
    Dann hörte er es auch. Ein Rumoren und Poltern, das direkt aus der Hütte zu kommen schien. Issitoq war nicht zurück und er hatte seine Hunde mitgenommen. Die einzigen lebenden Wesen hier auf der Eisplatte waren sie selbst. Niemand konnte sich unbemerkt herangeschlichen haben.
    „Ein Bär?“, fragte er und tastete nach dem Revolver, den er unter der Hose im Kniehalfter stecken hatte. Der Gedanke, die Hosen runterlassen zu müssen, um einen Eisbären zu erschießen, behagte ihm nicht.
    „Ein Bär macht mehr Lärm.“ Sie schubste ihn ein wenig. „Siehst du nach oder soll ich?“
    „Ich bin krank und habe außerdem das Abendessen unterm Arm. Geh du.“
    Mit heruntergezogenen Augenbrauen sah sie zu ihm auf. Er brach in leises Gelächter aus. „Das war ein Scherz, Kaya. Ich gehe ja schon. Hier.“
    Er drückte ihr den Fisch in die Hand und ging vorsichtig auf die Hütte zu. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Es missfiel ihm, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, was für ein Wesen es in Grönland geben konnte, das durch den Spalt passen könnte. Er wollte den Revolver nicht ziehen, solange es nicht klar war, ob es sich bei ihrem Besucher nur um einen Polarhasen handelte. Er sah sich um. Kaya stand mit dem Fisch in der Hand in sicherer Distanz von ihm. Der Anblick brannte sich auf seine Netzhaut. Die zarte, hübsche Inuit, deren Kapuze vom Kopf gerutscht war, in ihren aus Pelzen genähten Kleidern, stocksteif auf dem Eis stehend, vor dem herrlichen Panorama der Fjorde, Inseln und Berge des Upernavik Archipels. Sie hätten die einzigen Menschen auf der ganzen Welt sein können. In diesem Augenblick wollte er sein Leben genauso, wie es war, abgesehen von einem ungebetenen Gast in der Hütte.
    Er stieß die Tür auf. Das Gepolter verstummte. Zuerst sah er nichts, außer zwei ihm entgegenstarrende Augen, rot glühend im Licht der tief über dem Horizont stehenden Sonne. Dann stieß das Tier einen markerschütternden Schrei aus und schoss unvermittelt auf ihn zu. Er konnte nicht mehr ausweichen. Das nächste war ein Stechen und Reißen in seiner linken Hand, als der junge, noch nicht ausgewachsene Fuchs sich darin verbiss. Silas stöhnte, warf den Arm herum und schleuderte den Fuchs mit dem Rückgrat gegen die Bretterwand. Augenblicklich ließ das Tier los und fiel zu Boden. Einen Moment glaubte Silas, dem Fuchs das Kreuz gebrochen zu haben, aber als er wieder fokussierte und bevor der Schmerz ihm Tränen in die Augen trieb, sah er, dass Jungmeister Isegrim nicht einmal humpelte, als er sich übers Eis davonmachte.
    Silas sank an den Türrahmen und hielt sich die Hand. Der Fuchs hatte sich in der Handkante verbissen, Blut quoll hervor. Bravo. Erst im Eismeer baden gegangen, jetzt von einem durchgeknallten wilden Tier zerfetzt. Man konnte wirklich nicht behaupten, dass er sich mit dem Sterben keine Mühe gab.
    „Zeig her.“ Kaya ließ den Fisch in den Schnee fallen und nahm seine Hand. Das Stechen ließ nach, verklang zu einem nervtötenden Brennen. Mann, hatte der Kerl kleine, hässlich spitze Zähne gehabt. Kaya handelte instinktiv, feuerte den Gaskocher an, nahm einen von Issitoqs Blechnäpfen, füllte

Weitere Kostenlose Bücher