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Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Henry
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ihres zerfetzten Schlafsackes lagen.
    „Nein.“
    Dass sie es ohne zu überlegen sagte, machte ihn fast glücklicher als sein Höhepunkt tief in ihr. Er rumorte ein wenig herum, fand Isomatten und Decken, um das Gestell zu polstern, öffnete sämtliche Reißverschlüsse an seinem Schlafsack, den sie als Decke benutzen konnten, und schob schließlich Kaya, deren Körper abgekühlt war und die wieder leicht zu zittern begonnen hatte, auf das Lager, ehe sie wirklich wieder fror. Er nahm sie in die Arme und genoss, wie sie sich an ihn schmiegte.
    „Ich halte dich warm, Baby“, flüsterte er. „Ich halte dich warm.“
    Ihr Zittern hörte auf. Sie murmelte etwas Unverständliches. Schließlich begriff er, dass sie grönländisch sprach. Was war das? Ein Gebet? Eine Bitte um Verzeihung an ihren toten Mann, während sie sich an den sehr lebendigen Mann klammerte, der neben ihr lag? Er kämpfte gegen einen Anflug von Irritation. Dann ihre Lippen auf seiner Schläfe, unter seinem Ohr, sanfte, knabbernde Küsse, ihr süßer Atem, wie Vanilleeis.
    „Ich lass nicht zu, dass dir etwas passiert“, sagte sie. „Ich passe auf dich auf.“
    Er hätte lachen mögen. Dieses zierliche Ding wollte auf ihn aufpassen? Andererseits hatte sie recht. Er verstand etwas vom Überleben, aber das Leben in der Eiswüste war ihm fremd. Ihr nicht. Er seufzte, seine Lippen fanden ihre. Er wollte nicht, dass sie bereute.
    „Schlaf“, flüsterte er.
     
    *
     
    Kaya erwachte in einem Käfig aus Armen und Beinen.
    Silas schnarchte. Es war ein süßes Geräusch. Ein leises Pfeifen bei jedem Atemzug. Sie wollte sich umdrehen, doch sofort verstärkte er den Griff um ihren Körper, zog sie näher an sich. Sein Oberschenkel presste sich zwischen ihre Beine, wo sie immer noch feucht war von seinem Samen.
    Oh, lieber Himmel, was hatte sie getan? War die Einsamkeit wirklich so schlimm geworden, dass sie sich dem Erstbesten an den Hals warf? Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, hob sie seinen Arm an und schlüpfte unter dem Gewirr aus Decken und Anoraks hervor. Sofort biss Kälte in ihre Haut.
    Er war ja nicht der Erstbeste. Er war Silas. Ihr Silas, der um sie gekämpft hatte und sie um ihn. Sie strich die Falten in ihrer Hose glatt, so gut es eben ging. Dicke Funktionsware, dazu gedacht, in der Wildnis zu überleben. Aber wie lange? Wie lange mussten sie noch ausharren, nur genährt von der vagen Hoffnung, gefunden zu werden? Ihr Pullover stank nach ungewaschenem Körper und altem Schweiß. Ein Schutzwall gegen die Kälte und noch mehr vielleicht gegen die Hitze der letzten Nacht. Waren sie beide schon so sehr verwildert, dass er den Drang verspürt hatte, mit ihr zu schlafen, obwohl sie fürchterlich stank?
    Durch die dünne Bretterwand der Schutzhütte hörte sie das Zischen des Windes. Wie spät war es? Die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwammen, wenn die Sonne für die Polarnacht untergegangen war.
    „Wo willst du hin?“ Schlaf machte Silas’ Stimme weich und fließend.
    „Ich muss nach Issitoqs Leinen sehen.“
    „Warum? Das hat Zeit. Ich hätte da so ein paar Ideen …“
    „Warum?“ Unfassbar. Sie presste die Handballen auf die Schläfen, um die Hysterie daran zu hindern, in ihren Kopf zu steigen. Sie brodelte schon viel zu dicht unter der Oberfläche. Es war ein aussichtsloser Kampf. „Vielleicht, weil wir nichts mehr zu essen haben? Weil wir früher oder später erfrieren könnten. Weil wir inmitten einer verdammten Eiswüste sind, und wenn die Rettungsmannschaft nicht bald kommt, dann werden wir berühmt. Als Eismumien in fünfhundert Jahren vielleicht. Die Wissenschaft wird begeistert sein und sich den Kopf zerbrechen, in was für eine Zivilisation diese Menschen gehören, die Felle, ein verflucht nutzloses GPS mit kaputten Batterien und Anoraks von Jack Wolfskin mit sich führen.“
    Viel zu schnell kroch auch er aus ihrem Nest.
    Himmel, was sie dafür geben würde, davonlaufen zu können. Eine Tür zu haben, die sie hinter sich zuknallen konnte, bis sie sich beruhigt hatte und ihre Gedanken wieder klar wurden. Hier musste sie befürchten, dass, bei dem Pech der letzten Tage, die Hütte über ihnen zusammenbrach, sollte sie die Tür auch nur zu stürmisch anschauen. Außerdem wollte sie gar nicht nach draußen in Kälte, Eis und Schnee. Sie war es so leid. Aus dem Nichts tauchte ein Bild vor ihren Augen auf. Glänzende Körper, die aneinanderstießen. Cremeweiße Haut auf dunkel olivfarbener. Ein Stöhnen kroch über ihre Lippen,

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