Polarfieber (German Edition)
wählte.
„ Rossum. “ Nur ein Name. Der Name ihrer Freundin noch d a zu, trotzdem legte sich die weiche Frauenstimme wie ein Band um Kayas Kehle, verstopfte ihre Nebenhöhlen, ließ das Atmen zur Qual werden.
„ Wie konntest du das machen ? “ , krächzte sie und wusste noch nicht einmal genau, was sie meinte. Vielleicht die Hof f nung, die Nive ihr mit diesem unsäglichen Päckchen machte, oder die schreckliche Leere, die nun wieder zuschlug und mit herben Kra l len in ihrem Bauch wühlte.
„ Hast du den Test schon gemacht? “ Nive ließ sich von ihrem o f fensichtlichen Aufruhr nicht beeindrucken.
Kaya wollte wirklich antworten. Sie wollte Nive die Hölle heißm a chen, die Freundin anschreien, dass man mit diesem Thema nicht scherzte , sie keine Kraft für derlei Witze hatte , sie lange genug d a runter gelitten hatte, keine Kinder zu bekommen, sie nie davon g e träumt hatte, alleinerziehende Mutter zu werden, sie nicht an Nives sogenannte Gefühle glaubte und dass es Nive, verdammt nochmal, sowieso nichts anging, was sie mit Silas getan hatte und was nicht. Sie öffnete den Mund.
H eraus kam ein Schluchzen. Ein Damm brach. Die Wut und En t täuschung, die Traurigkeit und Angst, die sie die letzten W o chen zurückgedrängt hatte, sprudelten an die Oberfläche. Sie konnte nur noch weinen. Ihre Nase lief, ihre Kehle schmerzte , aus ihrem Mund kamen Laute, die nicht wirklich Worte waren und die fremd klangen, als gehörten sie gar nicht zu ihr. Sie schluchzte sich ihre Einsamkeit aus dem Leib, weinte um den Verlust einer so frischen Liebe , dass sie kaum existierte und doch eine Lücke hinterließ , die roh und qu ä lend war.
„ O Liebes, es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht. Wenn ich das gewusst hätte … ich wäre doch zu dir gekommen “ , ve r suchte Nive sie zu beruhigen. „ Hast du den Test denn schon g e macht? Bist du sicher, dass du schwanger bist? “
„ Ich bin allein. Ich kann nicht schwanger sein. Er will mich nicht. “
„ Mach den Test, Kaya. Du bist nicht allein. “
„ Ich hab e ihm Nachrichten hinterlassen, Nive. So viele. Ich hab ihm gesagt, dass ich mir seine Version der Geschichte anhören we r de, dass er auf mich zählen kann, dass ich nicht urteilen we r de. Ich hab ihm geschrieben, dass ich ihn vermisse. Er hat mich wegg e drückt, er will mich nicht. “
„ Du bist nicht allein. Jetzt pinkl e erst mal auf das Stäbchen. Ich bin bei dir. “
„ Ich soll den Test machen, während du am Telefon bist? “ Ungla u ben mischte sich in die Verzweiflung, tobte in ihrem Herzen und füllte es mit einer skurrilen Heiterkeit. Fast war es, als b e obachte sie sich von oben. Sie sah eine verheulte, derangierte Frau, die im L a bor stand , und musste kichern, weil bei all dem Irrsinn in ihrem Kopf der Gedanke daran, zu pinkeln, während Nive am anderen Ende der Telefonle i tung wartete, absurd war.
Nive ließ sich von ihr anstecken und kicherte mit . „ Du kannst mich auch zurückrufen. Oder laut singen. “
„ Ich kann nicht singen. “
„ Umso besser. “
Kaya nahm all ihren Mut zusammen und ging in das kleine Bad, das zu ihrem Labor gehörte. Sie plapperten weiter, um das peinl i che Plätschern zu übertönen. Nive erzählte von ihren Kindern, von Kevins erstem Backenzahn und Vickys Ärger in der Schule. Drei Minuten später legte sich erwartungsvolle Stille in eine Gespräch s pause.
„ Und? “ , fragte Nive.
„ Du meinst, ich soll jetzt draufgucken. “
„ Die drei Minuten sind um. “
„ Nive, ich weiß nicht. Ich … “
„ Sei kein Frosch, Kaya. Jetzt nimm das Ding und sag, was drau f steht. “
Kaya schloss die Augen und drehte das längliche Plastikstä b chen um. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie die klaren, blauen Ve r salien in dem ovalen Sichtfenster.
Schwanger .
„ Kaya ? D u sagst ja gar nichts. Kaya, was ist los? Nun sag schon, was steht auf dem Test? “
„ Ich … “ Sie seufzte. Die Worte wollten nicht kommen. Le e re in ihrem Kopf u nd Wärme in ihrer Brust . Sie holte tief Luft und ve r suchte es erneut. „ Ich bin schwanger , Nive. Da steht schwanger. “ Sie schmeckte dem Wort nach, kostete es auf ihrer Zunge und als sie es einmal ausgesprochen hatte, musste sie es wieder schmecken. Wieder und immer wieder. „ Ich bekomme ein Kind. Nive, ich bekomme wirklich ein Kind. “
Etwas Weiches schwang in ihrer Stimme mit, als Nive antwort e te. „ Ihr bekommt ein Kind, Kaya. Ihr. Du wirst Mutter. Und Silas wird
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