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Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Eingang standen noch immer viele Leute, die zu dem erleuchteten Balkon emporschauten. Der Turm war ein Obelisk und nicht besonders hoch, gerade ein paar Stockwerke. Aber er war ein Musterbeispiel hervorragender Handwerkskunst – nahtlos, spiegelblank, poliert. Er war vor mehr als zwei Jahrhunderten zu Ehren der Männer und Frauen errichtet worden, die einst den Dellacondern und ihren Alliierten im langen Krieg gegen die Stummen zu Hilfe gekommen waren. Das war die Tat gewesen, die auf direktem Wege zur Entstehung der Konföderation geführt hatte, in der die Familie der Menschen in ihrer langen Geschichte zum ersten Mal zur Einheit gefunden hatte. Nun ja, beinahe. Es gab immer noch Orte wie Korrim Mas.
    Mit einiger Verspätung kam mir der Gedanke, dass ich eine Perücke hätte tragen oder irgendwelche anderen Maßnahmen hätte ergreifen sollen, um mein Äußeres zu verändern.
    Ich suchte die Menge nach Kiernan ab. Da war nicht die geringste Spur von ihm zu sehen, doch ich war auch ein paar Minuten zu früh eingetroffen. Ich hielt mich dicht an eine Touristengruppe, die sich am Rand des Teichs versammelt hatte. Die meisten hatten die Köpfe in den Nacken gelegt und stierten nach oben. Ich tat es ihnen gleich, versuchte dabei jedoch gleichzeitig, meine Umgebung am Boden im Auge zu behalten.
    Ich hatte angenommen, dass ich dort recht sicher sein müsste, aber nun überlegte ich, wie leicht es doch wäre, jemanden an diesem Ort abzuknallen. Am Ufer standen etliche Sträucher und Bäume. Noch mehr verteilten sich über den Platz. Jeder von ihnen könnte einem Heckenschützen als Versteck dienen. Außerdem gab es nichts, was einen Mörder davon hätte abhalten können, ganz einfach im Vorbeigehen mit einem Messer zuzustechen. Mit mir wäre es aus, ehe ich auch nur ahnen würde, dass ich in Schwierigkeiten war.
    Also behielt ich den Teich im Rücken und versuchte, das Gesträuch im Auge zu behalten, versuchte, alles im Auge zu behalten.
    Eine dreiköpfige Familie blieb vor mir stehen und machte Bilder von dem Turm. Auf der anderen Seite des Teichs kreischte jemand vor Vergnügen, und ich sah Kinder herumlaufen.
    Der vorgesehene Zeitpunkt war vorbei.
    Falls er nicht imstande gewesen wäre herzukommen, hätte er wohl angerufen, richtig? Versucht, einen Aufschub herauszuschlagen.
    Ein Sicherheitsbot rollte vorbei.
    Ein älterer Herr mit drei oder vier Leuten im Schlepptau erzählte, wie jung er gewesen war, als er zum ersten Mal hergekommen war, und wie sehr sich die Stadt seither verändert hatte.
    Ein Liebespaar schlenderte Händchen haltend vorbei. Die beiden waren nur mit sich beschäftigt.
    Ein Gleiter sank über dem Teich herab, verharrte kurz und sauste wieder davon. Ein paar Leute warfen Münzen ins Wasser und lächelten einander an.
    Die Menge lichtete sich ein wenig, doch ich sah immer noch keine Spur von Kiernan.
    Eine Jungengruppe, alle etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt, stürmte auf den Platz. Ihren Jacken nach zu urteilen ein Kuwallah-Team. Zwei Männer begleiteten sie. Die Kinder rannten zum Turm, und einer der Männer versuchte, sie zur Ordnung zu rufen.
    Ich stellte mir vor, wie Kiernan durch die Nacht jagte, versuchte herzukommen, ehe ich fort war, um mir – was? – zu erzählen. Dass alles nur ein schreckliches Missverständnis gewesen sei? Nichts Persönliches, Sie verstehen.
    Rechts von mir, dort, wo sich das Archiv befand, schrie jemand. Ich hörte das Geräusch schneller Schritte; dann leuchteten Scheinwerfer auf. Das Licht war irgendwie frostig.
    Leute strömten zum Archiv.
    Was auch immer da los war, ich entschied, dass es vernünftiger war, mich fern zu halten, zu bleiben, wo ich war. Am Himmel tauchten Lichter auf und sanken herab. Sicherheitsbots hasteten vorbei und räumten einen begrenzten Bereich. Binnen weniger Minuten waren Rettungskräfte und Polizeieinheiten vor Ort.
    Das Gerücht, jemand sei vom Dach des Archivs gefallen, machte die Runde. »Ein Mann«, sagten sie.
    Das Rettungsfahrzeug setzte auf dem Boden auf. Ich warf alle Vorsicht über Bord und versuchte, näher heranzukommen. Ich kam gerade noch rechtzeitig hinzu, um zu sehen, wie jemand in ein Rettungsfahrzeug getragen wurde. Augenblicke später hob es auch schon ab.
    Polizeibeamte schwärmten aus, um in der Menge nach Zeugen zu suchen.
    Kiernan tauchte nicht mehr auf.
     
    Ich war nicht allzu überrascht, als Fenn am Morgen anrief, um uns von dem Mann zu erzählen, der am Archiv zu Tode gekommen war. »Wir haben ihn mit Hilfe

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