Polaris
wurde. Von der Konversation nahmen wir nur ein entferntes Rauschen war, und gelegentlich konnten wir ein oder zwei Sätze verstehen, aber wir waren überwiegend auf Ratespielchen und nonverbale Elemente angewiesen.
Mendoza schien Dunninger zu beobachten. Als Dunninger sich entschuldigte und hinausging, verließ auch Mendoza seinen Platz und sorgte dafür, dass er bereits wartete, als Dunninger zurückkam. Dann nahm er ihn beiseite und ging zusammen mit ihm erneut nach draußen auf den Korridor.
Kurz bevor sie verschwunden waren, schüttelte Dunninger den Kopf. Nein. Vehement nein.
Sie waren etwa fünf Minuten fort. Als sie zurückkehrten, ging Dunninger voran. Er sah wütend aus, und das Gespräch der beiden Männer schien beendet zu sein.
Sie waren Kollegen. Dunninger hatte beinahe fünf Jahre im Epstein-Institut gearbeitet. Mendoza, damals bei Forest Park, war der Mann, an dem sich Dunninger mit seinen Ideen messen konnte.
Dunninger ging quer durch den Raum, schnappte sich seinen Drink (den er zuvor auf einem Tisch hatte stehen lassen) und kehrte zu seinen Leuten zurück; doch er sah immer noch wütend aus.
Alex brachte uns zurück ins Büro. »Was meinst du?«, fragte er.
»Eine Meinungsverschiedenheit.«
»Denkst du nicht, da war mehr dran? Für mich hat das ziemlich ernst ausgesehen.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Wenn man nichts hören kann, ist das schwer zu sagen.«
Alex’ Gesicht ordnete sich zu einer ganzen Reihe unterschiedlicher Ausdrücke an: verwirrt, verärgert, bekümmert. Dann atmete er hörbar aus. »Ich denke, das war die letzte Chance.«
»Wofür?«
Er sah sich zu dem langstieligen Polaris-Glas im Bücherschrank um. »Wenn du die Frage beantworten kannst, könntest du des Rätsels Lösung vor dir sehen.«
Alex war an diesem Abend mit einigen potentiellen Lieferanten zum Essen verabredet. Wenn er Geschäftspartner unterhält, programmiert er seinen Link stets so, dass alle eingehenden Rufe zu mir umgeleitet werden. Was so weit in Ordnung ist, aber er hat keine Vorkehrung getroffen, dass wenigstens ich ihn erreichen kann. Seiner Theorie nach konnte so oder so nichts passieren, das zu bearbeiten oder zu vertagen ich nicht qualifiziert gewesen wäre. Ich hätte es in Bronze gravieren lassen und ins Büro stellen sollen. Als Firmenmotto.
Und so geschah es, dass Jacob mich, als ich gerade zusammenpacken und Feierabend machen wollte, informierte, dass ein Herr anriefe und Alex sprechen wolle. »Nur audio«, sagte er.
»Wer ist das, Jacob?«
»Er scheint sich nicht identifizieren zu wollen, Chase.«
Normalerweise hätte ich Jacob angewiesen, den Anruf abzuweisen. Manchmal versuchen skrupellose Gestalten, Kontakt zu uns aufzunehmen, die irgendetwas aus einem Museum gestohlen oder auf anderen dunklen Wegen an sich gebracht hatten und hofften, wir würden es ihnen abnehmen. Eine wunderbare Arbeit, so pflegten sie zu sagen, und der Preis sei unschlagbar. Diese Gestalten halten sich stets von den Aufnahmegeräten fern. Aber normalerweise nennen sie einen Namen. Es ist nur nie der richtige.
Doch in der derzeitigen Situation dachte ich, ich sollte mir anhören, worum es ging, ehe ich allem ein Ende machte. Also bat ich Jacob, ihn durchzustellen.
»Hallo?« Die Stimme klang gedämpft und ängstlich.
»Legen Sie los. Chase Kolpath hier.«
»Ich wollte mit Mr. Benedict sprechen.«
»Tut mir Leid. Er ist nicht hier. Kann ich Ihnen helfen?«
»Kann ich ihn irgendwie erreichen? Es ist wichtig.«
»Ich fürchte nein. Aber ich würde mich freuen, Ihnen zu Diensten zu sein.«
»Wissen Sie, wann er wieder erreichbar sein wird?«
»Wie ist bitte Ihr Name?«
Ich hörte einen entschiedenen Seufzer. »Ich bin es, Chase. Marcus Kiernan.«
Damit hatte er meine volle Aufmerksamkeit. »Marcus. Tut mir Leid, aber ich kann ihn wirklich nicht erreichen. Sie werden mit mir reden müssen.«
Er atmete tief durch. Im Hintergrund konnte ich leise Stimmen hören. Er war an einem öffentlichen Ort, versuchte sicherzustellen, dass wir ihm nicht auf die Spur kamen.
»Mr. Kiernan, sind Sie noch da?«
»Ja.«
»Wenn Sie mit jemandem sprechen wollen, müssen Sie sich mit mir begnügen. Was kann ich für Sie tun?«
»Treffen Sie mich.« Er sagte es etwas lauter als notwendig, als hätte er gerade eine schwere Entscheidung getroffen.
»Warum?«
»Ich muss Ihnen etwas erzählen.«
»Warum machen Sie das nicht jetzt?«
»Ich möchte das nicht fernmündlich tun.« Wieder trat eine Pause ein.
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