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Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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legte sich der Lärm im Raum, und die Leute wichen an die Wände zurück und blickten zur Eingangstür.
    Wir hörten, wie die Türen geöffnet und wieder geschlossen wurden. Dann hallten Stimmen über den Korridor. Und Gelächter.
     
    Der Mazha rauschte wie eine Flutwelle in den Saal. Begleitet wurde er von drei oder vier Adjutanten und einer Reihe von Sicherheitsleuten. Die anderen Gäste hielten sich im Hintergrund, gruppierten sich neu und rückten schließlich vorsichtig vor. Dr. Ponzio war, soweit ich es beurteilen konnte, die einzige Person, die sich nicht einschüchtern ließ. Er schenkte dem Diktator ein höfliches Lächeln und verbeugte sich. »Euer Exzellenz«, sagte er. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen. Wir freuen uns sehr, Sie heute Abend bei uns zu haben.«
    Natürlich hatte ich schon ein Bild von ihm gesehen, aber Bilder bereiten einen nicht immer auf die Realität vor. Ich hatte erwartet, er würde aussehen wie Dracula höchstpersönlich; aber wie sich herausstellte, hatte ich mich geirrt.
    Er war kleiner, als ich erwartet hatte, knapp unter dem Durchschnitt. Schwarzes Haar, glatt rasiertes Kinn. Außerdem sah er in Fleisch und Blut etwas gesetzter aus. Er trug ein weißes Jackett und eine dunkelgraue Hose. Medaillen und Orden hingen an dem Jackett, und eine rote Schärpe schmiegte sich über seine rechte Schulter.
    Er erwiderte die Verbeugung des Direktors, sagte etwas, das ich nicht hören konnte, und streckte die Hand aus. Ponzio ergriff sie mit großem Respekt und ließ rasch wieder los.
    Berühmten Leuten wird alles vergeben. Hier stand ein Kerl mit Blut an den Händen, kübelweise Blut, und er wurde willkommen geheißen wie jemand, der gerade einen maßgeblichen medizinischen Beitrag geleistet hatte.
    Seine Propagandamaschinerie behauptete stets, seine Opfer seien Mörder und Rebellen, die Korrim Mas destabilisieren wollten. Oder den Glauben erschüttern. Dass sie die schlimmsten Schurken seien, die man sich vorstellen kann. Das sie extrem gefährlich seien, und dass sie keine Skrupel kannten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit Blut zu vergießen. Der Mazha habe keine andere Wahl, hieß es, als sie, so sehr ihm das auch widerstrebe, zum Allmächtigen zu schicken. Die moderne Form der Gehirnwäsche mochte weniger grausam sein, doch das war aus religiösen Gründen untersagt.
    Nach einer Weile näherte er sich uns, wandte sich mir zu, leckte sich im Geiste die Lippen und ergriff meine Hand. Ich konnte ihm ansehen, dass er genau wusste, was ich dachte, und dass ihn diese Tatsache nicht im Mindesten kümmerte. Er hatte den Blick eines Sechzig-Volt-Lasers. »Ms. Kolpath«, sagte er mit einer angedeuteten Verbeugung. »Es ist stets eine Freude, eine Person von solcher Schönheit kennen zu lernen. Und mit solch einem Talent. Soweit ich gehört habe, sind Sie Pilotin.« Er schaffte es tatsächlich, aufrichtig zu klingen. Ich will verdammt sein, wenn dieser Hurensohn nicht wusste, wie man sich beliebt macht.
    Schon jetzt wusste er mehr über mich als Dr. Ponzio. »Ja«, sagte ich bemüht, der Aufmerksamkeit nicht zu erliegen. Bemüht, nicht zu sagen, das wäre doch nichts, jeder könne Pilot eines überlichtschnellen Schiffs werden. Irgendwie hatte der Typ etwas an sich, das den Wunsch aufkommen ließ, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen. »Ich bin für die Belle-Marie verantwortlich, Rainbows Firmenschiff.«
    Er nickte. Seine nächsten Worte galten Alex, doch sein Blick ruhte weiterhin auf mir. »Am Himmel allein mit einer so liebreizenden Person«, sagte er, »das muss einem doch den Atem rauben.« In Gedanken ergötzte er sich an dem schieren Entzücken all dessen. »Und ich muss sagen«, fuhr er fort, »dass es mir eine Ehre ist, den Mann kennen zu lernen, der den Sternen die Wahrheit abgerungen hat.« Ehrlich, das ist genau das, was er gesagt hat. »… der den Sternen die Wahrheit abgerungen hat.« Und falls Sie jetzt denken, dass sich nichts von alledem nach Dracula anhörte, so kann ich Ihnen nur zustimmen. Er war nicht groß. War nicht anmaßend. War nicht wirklich unheimlich. Nichts von all diesen Dingen, die man normalerweise mit Einschüchterung in Verbindung brachte. Und einschüchternd wirkte er auch nicht. Ich dachte immer wieder, dass er genau der Typ war, den man gern zum Abendessen einladen würde. »Soweit mir bekannt ist«, sagte er beinahe vollkommen akzentfrei, »haben Sie kürzlich einen neuen Coup gelandet.« Jemand drückte ihm ein Glas Wein in die

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