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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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Alphütte bleiben musste. Sein Vater hatte ihm noch ein wenig Milch, Käse und Brot mit dem Beisatz, „in der Hölle gäbe es nicht einmal das“, dagelassen und ließ ihn dann alleine. Ein Gewitter setzte ein, der Schafberg stöhnte und schrie auf, wenn er von den Blitzen getroffen wurde, die Steinschläge auslösten, die Wunden in seine Flanken rissen und die er nach und nach auffing, um sie wütend gegen die armselige Alphütte zurückzuschleudern, in der der kleine Jakobli jammernd in einer Ecke kauerte und alle ihm aus Pfarrer Hasslers Unterricht und Mutters Erzählungen bekannten Heiligen aufbot, ihn vor dem Gewitter, dem Berg, dem Wasser, dem Vater und überhaupt zu beschützen. Als dann ein Blitz, gefolgt von einem solchen Tätsch, den er sein Leben lang nie mehr vergessen würde, in unmittelbarer Nähe der Hütte einschlug, schloss er mit sich, den Seinen und der Welt ab und wartete ergeben darauf, dass ihn der Pfarrer Hassler und das Zicklein am Altar der Dorfkirche erwarteten und ihn gemäßigten Schrittes in den Himmel geleiten würden.
    Was zwar nicht der Fall war, da das Gewitter weiterzog, der Schafberg einfach wieder zum Schafberg wurde, der kleine Jakob aber noch den halben Tag in seiner Ecke kauerte, bis ihm die durch die Ritzen der Holzwände einfallenden Sonnenstrahlen das rechte Knie erleuchteten, er vor die Tür trat, zum Schafberg hinaufschaute und sich schwor, so bald wie möglich und so weit wie möglich von hier wegzugehen. Und dies wiederum war nur möglich, wenn er sich den Rat von Pfarrer Hassler zu Herzen nahm, viel für die Schule und den lieben Gott zu arbeiten, dann wüsste der schon einen Weg, wie er in die weite Welt käme, um ihm anders zu dienen als mit dem Hüten von Ziegen und Kühen, Käse machen, Schnaps brennen und im „Ochsen“ das wenige Geld, auf das seine zukünftige Frau dringend angewiesen wäre, um die vor Hunger schreienden Balge zum Verstummen zu bringen, Abend für Abend, mit den immergleichen Zechbrüdern, bei den immergleichen Zoten, Anfeindungen und Verwünschungen, zu versaufen. Er, Jakobli Breiter, sei weder tumb noch dumm, und der liebe Gott sähe es sehr ungerne, wenn der Jakobli aus seinen Gaben nichts mache, und Gott sähe es noch viel lieber, falls ich, Jakoblis Hirte und geistiger Vater nicht dabei helfen würde, diese Gaben zu nutzen und etwas daraus zu machen. Und mit dem lieben Gott wolle er es sich als Pfarrer nicht verscherzen, also würde er schauen, dass aus dem Jakobli etwas werden würde.
    Und so wurde der Jakobli noch aufmerksamer in der Schule und lernte und lernte zu Hause und der Pfarrer Hassler gab ihm noch zusätzliche Bücher zum Lernen mit und je mehr er las und lernte, desto mehr hieß ihn der Vater den Stall putzen, den Miststock kehren, die Kühe und Ziegen hüten und ließ ihn den Gürtel spüren. Die dunklen Ringe um Jakoblis blaue Augen wurden immer größer, seine Haut wurde nach und nach bleicher, in der Schule übermannte ihn öfters der Schlaf und in Hasslers Religionsunterricht fiel er schließlich vor der großen Schiefertafel, auf der die Stationen der Passion Christi aufgezählt waren, in ein schwarzes Loch und als er wieder aufwachte, hatte er einen feuchten Lappen auf der Stirn und die mollige Haushälterin des Pfarrers flößte ihm wunderbaren, lauwarmen, honiggesüßten Hagebuttentee ein.
    Sie und der Pfarrer hatten ihn entkleidet, die unzähligen Striemen auf Brust und Rücken entdeckt, worauf der Pfarrer noch half ihn ins Bett zu legen und sich schnurstracks zu Jakoblis Vater Alois aufmachte, um ihm erstens mit Schimpf und Schande wegen seiner Sauferei und der Behandlung von Frau und Kind einzudecken und ihm zweitens zu eröffnen, dass der Jakobli ein wacher Bursche sei und er, der Pfarrer, dafür sorgen würde, dass Jakobli so schnell wie möglich in der Flade, der Klosterschule in St. Gallen aufgenommen werde. Und die Pensionskosten habe er, der Alois zu tragen, so habe er weniger Geld zum Versaufen und weniger Zeit, um Frau und Kind zu drangsalieren und zu schlagen. Worauf der Alois den Pfarrer Hassler mit der Mistgabel aus seinem Haus und von seinem Hof vertrieb und ihm hinterher schrie, er solle den Jakobli gleich bei sich behalten und ihm, wenn er wolle, den Arsch mit Büchern vollstopfen, aber er werde keinen Rappen an das Kloster und die Pfaffenbrut geben, lieber würde er sich hier zu Tode saufen.
    So kam Jakobli schneller weg vom elterlichen Hof, als ihm eigentlich lieb war, und der Pfarrer Hassler wies

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