Polarrot
Belgisch-Kongo zu beginnen.
Benebelt von teuren und langen Nächten auf der Überfahrt von Marseille nach Alexandria, von Sinnen ob der arabischen Pracht und der Verführungskünste Babettes in immer neu gekauften Kleidern und Dessous, war Fritz Hebeisen schon lange nicht mehr Herr über Geist und Geld. Und so kam es, wie es kommen musste; Babette verließ sich nicht mehr auf Fritzens Meldungen des Kassenbestandes, sondern zählte eines Morgens selbst nach, wurde sich schlagartig bewusst, dass der Traum der Kautschukplantagenmitbesitzersgattin ausgeträumt war, versetzte sich in schlechte Stimmung und entschwand abends unter Fritzens alkoholgetrübten Blicken am Arm eines französischen Monsieurs für immer aus seinem Leben.
Worauf sich der sitzengelassene Liebhaber ein paar Tage später wieder zurück nach Marseille einschiffte, um über ein paar Umwege seine zweieinhalbjährige Haftstrafe in der Schweiz anzutreten.
Und wer so auf die Pauke gehauen hatte, der sollte nach Fritz Hebeisens Auffassung auch einen Zünftigen ausgeben. Und da kam ihm Willys Lohntüte mit Überstundenzuschüssen gerade recht.
Willy, vom Kassier des Lohnbüros der Autoservice AG mit einem Schulterzucken über den Verbleib seiner Lohnzahlung aufgeklärt, stürmte wutentbrannt aus dem Büro und auf kürzestem Weg in den „Braunen Mutz“, wo er seinen Vater lauthals und wild gestikulierend vorfand, diesen am Kragen packte und brüllend sein Geld verlangte. Worauf Fritz versuchte Willy eine runterzuhauen, ins Taumeln geriet, nur mehr ein Bierglas zu fassen bekam und fiel. Dabei ging das Glas in die Brüche. Willy stand über seinem Vater, griff in die Innentasche von dessen Kittel und zog die Lohntüte heraus. In dem Moment versuchte Fritz mit dem zerbrochenen Bierglas seinem Sohn einen Stich in die Magengrube zu versetzen. Er hätte wohl getroffen und Willy ernsthaft verletzt, wäre ihm das Glas nicht mit einem präzisen Tritt eines rahmengenähten Schuhs aus der Hand geschlagen worden. Der Schuh gehörte Jakob Breiter. Und auf diese Weise fand Jakob Breiter nach mehr als fünf Jahren in Basel einen echten Freund, der sich am gleichen Abend noch mit einer gehörigen Kneipentour erkenntlich zeigte.
Willy kam und klopfte ihm wie immer freundschaftlich auf die Schulter, worauf Breiter ihm wie immer klarmachte, er solle seine mit Karrenschmiere verdreckten Hände von seinem wertvollen Jackett nehmen. Worauf Willy ihm gleich noch auf die andere Schulter schlug.
„Und, hast du die Millionen?“, fragte Breiter.
„Morgen.“
„Mein Gott, mit deinem Aussehen kann es doch nicht so schwer sein, eine Siebenundfünfzigjährige ins Bett zu bekommen und ihren Millionen näherzurücken.“
„Ich bin ihr Chauffeur.“
„Eben.“
„Jetzt hör auf.“
„Dann lass mich den Chauffeur machen, dann hol ich das Geld und wir teilen.“
„Du kannst nicht Auto fahren.“
„Ich bin Kutsche gefahren. Auf Schnee und Eis, so, dass nicht einmal du dich hinten hineingesetzt hättest.“
„Aber die Frau hast du nicht gekriegt. Warum eigentlich nicht?“
„Dumm gelaufen.“
„So, dumm gelaufen. Aber warum dumm gelaufen, Köbi?“
„Ich heiße Jacques!“
„Pardon, Monsieur Jacques, warum dumm gelaufen?“
„Die war Russin, steinreich, die war himmelherrgottschön, die hatte einen Hintern, in den man zehn Tage und zehn Nächte ohne Unterbruch hätte hineinbeißen können und die hatte Brüste, wenn man da dazwischen hineintaucht, dann hätte man die entferntesten Sterne gesehen und glücklich geseufzt, man habe alles gesehen.“
„Aber du hast von all dem nichts gesehen.“
„Da war auch nicht einfach eine alte, verbitterte Chemiegans abzuschleppen. Das war eine Eiger-Nordwand, das war Kälte und Sturm trotzen, ewiges russisches Eis aufbrechen, jeder Fehltritt der Tod, stetes Vorantreiben, um auf dem Gipfel mit der Wärme der Sonne, des Fleisches, des Geldes und allenfalls des Gemüts belohnt zu werden. Dagegen nimmt sich deine Aufgabe wie die Besteigung eines Sandhügelchens aus.“
„Vergiss es.“
„Verstehst du nicht: ein Sandhügelchen aus Millionen. Willy!“
„Vergiss es!“
„Dann lehr mich Auto fahren!“
„Und dann, dann fährst du das Sandhügelchen um?“
„Na ja …“
„Vergiss es!!!“
Breiter klaubte zwei Zigaretten aus der Packung, zündete beide miteinander an und gab Willy eine.
„Bei uns in der Firma stopft jetzt der Neue, der Herr Thomi, seinen Senf in Tuben. Wie Farbe oder Zahnpasta. Das ist
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