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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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ist nichts passiert.“
    „Ja, aber wie bekomme ich ihn dort wieder frei?“
    „Wir können es auf der Rückfahrt versuchen.“
    „Ja, würden Sie mich wieder mitnehmen?“
    „Es wird etwa vier, halb fünf werden. Falls das nicht zu spät ist?“
    „Nein, nein, ich warte im ‚Kreutz‘ auf sie.“
    „Gut.“
    „Danke.“
    „Mmmh, eine Frage: Soll ich dann den Horch nach Basel fahren?“
    „Ganz schön forsch, junger Mann, ein Horch ist per definitionem keine solche Holzkiste.“
    „Ich verdiene nebenbei noch Geld als Chauffeur, mit einem Bentley Derby.“
    „So, bei wem?“
    „Bei Frau Haffmann … also ehemalige Frau Haffmann.“
    „Aha, bei der Frau Haffmann. Und was redet sie so, die ‚ehemalige‘ Frau Haffmann?“
    „Also, ähm, darüber darf ich selbstverständlich nicht sprechen. Die Diskretion des Chauffeurs.“
    „Selbstverständlich.“
    Zu Tale fuhr Breiter im ersten Gang, beinahe im Schritttempo, um Wagen, Passagier und Senftuben sicher bis nach Balsthal und Langenthal zu bringen.
    „Warum schalten Sie nicht hoch?“
    „Der Gang hält den Wagen.“
    „Gut, junger Mann, Sie haben mich überzeugt. Sie fahren den Horch und ich ihre Holzkiste zurück nach Basel. Zur Gaudi von Frau, Kindern und Bediensteten.“
    „Sie werden es sicher nicht bereuen.“
    „Willy, wie startet man einen Horch?“
    „Du lässt mich ans Telefon rufen, um zu fragen, wie man einen Horch startet? Spinnst du?“
    „Willy, es ist wichtig. Und mach, das Telefon kostet mich ein Vermögen.“
    „Wieso musst du wissen, wie man einen Horch startet?“
    „Weil ich einen fahren muss.“
    „Aha.“
    „Willy, ich erzähl’s dir morgen. Aber sag schnell, es ist wichtig!“
    „So wichtig?“
    „Extrem wichtig, bitte Willy, sag schon.“
    „Warum musst du das wissen?“
    „Ich kann einen fahren!“
    „Zwölf- oder Achtzylinder?“
    „Acht … nein zwölf.“
    „Ja, was jetzt?“
    „Zwölf, nehme ich an.“
    „Zwölf, so, so.“
    „Willy!“
    „Ist ja wurscht, macht eh keinen Unterschied. Also wahrscheinlich wie beim Bentley. Magst du dich erinnern?“
    „Ja.“
    „Also sag?“
    „Willy!!“
    „Hopp, hopp, sonst säuft dir der Horch ab.“
    „Luftklappe am Lenkrad, Retard, Amperes, Kupplung, Starter.“
    „Wahrscheinlich heißt es nicht Retard. Vielleicht Zündspätverstellung oder Spätzündung oder sowas. Ist halt eine Nazi-Kiste.“
    „Danke Willy.“
    „Halt, noch was: Wenn es ein Zwölfzylinder ist, musst du den Stromkreis auf beide Blöcke leiten. Da muss es einen Schalter geben, vergiss das ja nicht, sonst gehen sechs Zylinder den Bach runter. Ah, und zieh den Choke, es ist kalt.“
    „Zwei Stromkreise, ja, danke Willy.“
    „Macht drei Bier und eine Bratwurst. Mit Rösti. Und mit Senf aus dem Glas!“
    „Ja, übermorgen, versprochen.“
    „Und nimm Asche mit. Und eine Schaufel.“
    „Gut, gut. Übrigens, Willy, deine Tante ist gestorben, im Fall.“
    „Ich habe keine Tante.“
    „Ich auch nicht, im Fall! Salut.“
    Schneeflocken tanzten durch das Abblendlicht des Opels. Bei Langenbruck waren weder Skifahrer noch Kurgänger zu sehen. Das Sanatorium leuchtete schwach vom Waldrand her und das Eintauchen in die Dunkelheit des Waldes wirkte auf Breiter, als würde hinter ihm jemand die Türen schließen.
    „Sie haben sich die Fahrt mit dem Horch verdient, junger Mann, Sie machen das wirklich gekonnt“, sagte de Mijouter, der Breiter im „Kreutz“ noch auf einen gut eingeschenkten Kaffeeschnaps einlud.
    Vor dem Gehöft Spittel öffnete sich der Wald wieder und der Horch tauchte im Scheinwerferlicht auf. Unversehrt, noch an der gleichen Stelle, steckte er im Schnee.
    Breiter fuhr den Opel direkt vor die Front des Horchs, stieg aus, entnahm dem Laderaum ein dickes Seil mit Karabinerhaken an jedem Ende, eine Schaufel und einen geschlossenen Metalleimer voll Asche, schaufelte zuerst hinter dem Opel ein Stück Straße frei, bestreute es mit Asche, falls noch unsichtbare Eisflächen da wären, schaufelte unter dem Horch, so gut es ging, den Schnee weg, legte von den Hinterrädern bis zu den Vorderrädern eine Aschespur, klinkte den einen Karabinerhaken bei der vorderen Querverstrebung der Karosserie des Horchs ein, legte sich unter den Opel und klinkte den anderen bei der Achse ein, stieg zurück in den Opel und fuhr ganz sachte zurück, bis das Seil richtig straff war. Er wies de Mijouter an, im Opel Platz zu nehmen und auf sein Zeichen hin ganz sanft rückwärts zu fahren, setzte sich selbst

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