Polarrot
Volkskörper beitragen.
Aber genug geredet, genießen wir einfach diesen wunderbaren Abend im trauten Kreis und freuen wir uns auf die glänzende Zukunft, die dem Deutschen Reich und mit ihm der I. P. Gugy bevorsteht. Heben Sie mit mir das Glas auf die Zukunft, Deutschland und I. P. Gugy …“
De Mijouter hob das Glas und wollte der Gesellschaft zuprosten, da rief der Deutsche Konsul dazwischen „und auf unseren Führer Adolf Hitler“, worauf de Mijouter die Situation blitzschnell erfasste und anfügte: „Sie sind mir zuvorgekommen, verehrter Herr Konsul: und natürlich auf den Reichsführer Adolf Hitler, zum Wohl allesamt.“
Die Menschen hoben ihre Flûtes, „auf uns“ war zu hören, auch „auf die Gugy“, vereinzelt „auf den Führer“ sowie ein kräftiges „Heil Hitler!“.
„So, und jetzt in den Garten, es ist aufgetragen!“, rief de Mijouter seinen Gästen zu, während das unterdessen im Garten domizilierte Kleinorchester die Geladenen mit „Veronika, der Lenz ist da“ in Empfang nahm.
Beth hakte sich unvermittelt bei Breiter unter und sagte: „Komm, lass uns miteinander ganz tolle Teller zusammenstellen.“ Und ohne zu wissen, was um ihn geschah, saß er an einem Sechsertisch mit Paul Huber, Doris Kaufmann, Beth Schuppig, einem weiteren Paul und dessen Frau Josephine.
Das Essen war vorzüglich, die Speisen von einer Qualität wie er sie zuletzt im Grand Palace genossen hatte, wenn er ein neues Gericht vorkosten durfte oder ein Koch ihm einen verschmähten Teller gab, der Wein von einer Güte, die ihn an Vittorios Flaschen mit den handgeschriebenen Etiketten erinnerte, die Runde amüsant bis zuweilen geradezu witzig, die blassschöne Doris weiterhin ein wenig zu griesgrämig und die blaue Beth einen Tick zu aufdringlich.
Irgendwann musste Breiter austreten, fragte einen Diener ohne Worte nach der Toilette, worauf ihm dieser ebenfalls stumm den Weg wies, kam zurück, stand auf der Terrasse, zündete sich eine dieser teuren St. Moritz-Zigaretten an, die er sich speziell für diesen Abend gekauft hatte, betrachtete den Garten, die Fackeln, die weißen Sechsertische, das Buffet mit den Köchen und ihren großen weißen Hauben dahinter, war einfach stolz auf sich, dass er es hierher gebracht hatte und befand, dass sich ein zarter Schimmer seines Rots, ausgehend vom Wohnzimmer über diese zauberhafte Szenerie legte und in die Herzen der anwesenden Menschen hineinkroch und deren Gemüter erheiterte. Ja, sogar die blasse Doris sah er lachen, als eine raue Stimme ihn fragte: „Herr Breiter, hätten Sie vielleicht eine Zigarette für mich?“
Breiter sah sich um und blickte direkt in die grün-blauen Augen von Charlotte de Mijouter. Er erschrak, über die Nähe ihrer Augen, ihres Gesichts und darüber, dass er sie roch, durch ihr Parfüm hindurch, ein Geruch, der ihm vertraut vorkam und doch ganz weit weg schien.
„Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken“, sagte sie leise.
„Sie haben mich aber erschreckt“, sagte Breiter verwirrt, bereute es sogleich, klaubte mit zittrigen Fingern eine Zigarette aus der Schachtel, gab sie ihr, nahm sein Feuerzeug, entzündete es und gab ihr Feuer.
Wenn sie jetzt noch ihre Hand um die meine legt, falle ich um oder mache in die Hose, dachte Breiter. Sie tat es und Breiter hob es die Hose, so dass er einen Schritt an die Brüstung machte, damit niemand und vor allem sie es nicht sehen konnte.
„Fühlen Sie sich wohl?“, fragte sie.
„Ja, ein wunderbares Fest“, stammelte er.
„Nicht so schüchtern, schließlich haben Sie mir eines der originellsten Komplimente gemacht, das ich je von einem Mann zu hören bekam.“
„Danke.“
„Ich habe zu danken.“
„Nichts zu danken.“
Stille.
Und aus dem Nichts der Stille mussten beide gleichzeitig herzhaft loslachen, schauten sich an und lachten, berührten sich mit den Schultern und als sie ausgelacht hatten, verband sie eine unerwartete Vertrautheit.
„Von einem Mann wie Ihnen, Jakob, darf ich Jakob zu Ihnen sagen?“
„Sagen Sie bitte Jacques. Meine Freunde rufen mich Jacques.“
„Gut, Jacques. Tönt auch schöner, weltläufiger. Charlotte.“
„Darauf müssen wir aber anstoßen. Ich hole uns zwei Gläser Wein.“
„Nein, bleib, lass mich nicht allein, sonst gesellt sich vielleicht jemand zu mir, und ich muss mit jemandem plaudern, mit dem ich nicht so gerne plaudern würde, wie mit dir jetzt.“
„Gut. Also von einem Mann wie mir …“
„… hätte ich ein wenig mehr
Weitere Kostenlose Bücher