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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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mich benehmen muss.“
    „Verstanden?“
    „Verstanden!“
    „Geh jetzt, sonst werde ich noch nervöser, als ich schon bin“, sagte sie und küsste ihn auf die Stirn, was Breiter ganz verlegen machte, so dass er sie aus einem Anflug von Liebe unversehens auf die Wange küsste, verstohlen „Danke, danke für alles“ sagte, sich von ihr löste und in die Wärme und das weiche Licht des milden Altweibersommerabends tauchte.
    Auf dem weißen Kies der Auffahrt zur Villa de Mijouter spiegelte sich das Licht der ruhig vor sich herzüngelnden Fackeln. Breiter zählte die Schritte von Fackel zu Fackel – sie waren perfekt ausgerichtet. Ein livrierter Diener nahm ihn in Empfang, fragte nach der Einladung, Breiter überreichte sie ihm und der Diener führte ihn ins Entrée, wo de Mijouter die Gäste willkommen hieß.
    „Ah, Breiter, Jakob Breiter, unser bester Mann im großen Kanton. Charlotte, darf ich dir einen unserer fähigsten Mitarbeiter vorstellen: Jakob Breiter, der Erfinder oder besser Ideengeber für den kleinen Laborkoffer, der uns so viel Freude macht.“
    Charlotte de Mijouter war eine großgewachsene Frau mit dunkelbraunem, leicht gewelltem Haar und grünblauen Augen, denen sich nichts zu entziehen schien. Sie trug ein crèmefarbenes, bodenlanges Abendkleid mit einem tiefen Ausschnitt. Breiter verschlug es angesichts des Glanzes Charlotte de Mijouters, der ihn an die göttlichen Wesen in Gegenlichtaufnahmen aus UFA-Spielfilmen erinnerte, einen Augenblick die Sprache, so dass er ein Augenzwinkern zu spät Charlotte de Mijouters dargereichte Hand bemerkte, worauf er sogleich mit einem eleganten Handkuss und der Bemerkung „als der liebe Gott Sie erschuf, muss er wohl seine begnadetste Stunde gehabt haben“ reagierte, worauf sich Charlotte de Mijouter ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen konnte, ihm direkt in die Augen sah und mit irritierend rauer Stimme sagte: „Willkommen Herr Breiter, mein Mann hat mir schon viel von Ihren Fähigkeiten erzählt. Fühlen Sie sich wie zu Hause bei uns, gehen Sie ins Esszimmer, lassen Sie sich ein Glas Champagne geben, mischen Sie sich unter die Gäste und genießen Sie den Abend. Es soll auch Ihrer sein, haben Sie doch nicht unwesentlich dazu beigetragen, wie ich gehört habe.“
    „Nun, eigentlich …“
    „Na, na, junger Mann“, fuhr de Mijouter dazwischen, „nicht so bescheiden, Sie leisten tolle Arbeit. So, und jetzt ab ins Wohnzimmer und dann in den Garten. Hier kommt nämlich schon der Konsul des Deutschen Reichs.“
    Breiter entfernte sich von Charlotte de Mijouter mit einer angedeuteten Verbeugung, was diese mit einem vergnügten Schmunzeln quittierte und ging ins Wohnzimmer.
    Wohnzimmer? Das, was Charlotte de Mijouter ihr Wohnzimmer nannte, war für Breiter ein Ballsaal. Ein Ballsaal, komplett mit Hakenkreuzfahnen geschmückt, die dem Licht einen warmen Rotstich verliehen, ein rot gefluteter Ballsaal, an dessen Kopfende ein fünfköpfiges Orchester deutsche Schlager der 20er-Jahre spielte. Unter jeder Fahne stand eine Pultlampe, deren Kopf nach oben gedreht war und so das Polarrot, das runde Weiß und die darin gemittete Swastika wunderbar verspielt zur Geltung brachte. Meine Fahnen, mein Rot, dachte Breiter und konnte sich an dem einmaligen Anblick kaum sattsehen und wurde erst durch die Worte „Champagne, der Herr?“ aus seinem Staunen in die Gegenwart geholt.
    „Das ist auch mein Rot. Ist es nicht wunderschön, so satt, so tief, so, mmh, so selig irgendwie?“, sprach er den verdutzten Kellner an.
    „Selig, der Herr?“
    „Ja, mich dünkt es so. Es fällt mir kein anderes Wort dazu ein.“
    „Champagne, der Herr?“
    „Ja, danke.“ Breiter nahm sich ein Glas vom Tablett und ging durch die offenen Flügeltüren auf die vorgelagerte Terrasse, an deren jeweiligem Ende ausladend geschwungene Granittreppen mit steinernen Geländern in den Garten führten. Er blieb für ein Champagneglas an der Terrassenbrüstung stehen, schaute in den Garten, schaute auf die festlich gekleidete Gesellschaft, auf die eleganten Herren und entzückenden Frauen, alle durchdrungen von geradebiegendem Stolz, Teil dieser Gesellschaft zu sein und hörte den Singsang ihres angeborenen oder angelernten Hochbaseldeutsch, gespreizt und gedehnt, als müsse man jede Silbe, bevor man sie ausspricht, genau bis zu dem Punkt auseinanderziehen, an dem sie zu zerreißen droht. Jetzt erst kam ihm in den Sinn, was ihm an Charlotte de Mijouter so unerwartet vorgekommen war: Sie sprach

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