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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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ich sagen – Gier? Ja, Gier! Da sind wir gleich. Nun, Sie werden sicher nicht zu kurz kommen, wenn sich alles in die richtige Richtung entwickelt. Nehmen Sie sich für den Anfang mal einen neuen Wagen und die Kofferlabors. Haben Sie einen im Auge?“
    „Ja, vielleicht einen Opel Olympia.“
    „Gut, wir werden einen besorgen.“
    „In Polarrot mit dem Firmenschriftzug. So angebracht, dass er ein wenig der Hakenkreuzfahne ähnelt.“
    „Clever, Breiter, clever.“
    „Danke.“
    „Nichts zu danken. Sie müssen ja das Siebenfache hereinholen.“ De Mijouter lachte.
    „Und über die Provision reden wir wann?“
    „Ab dem Dreifachen. Gut?“
    „Ja, gut.“
    De Mijouter stand auf, Breiter tat es ihm gleich und reichte ihm die Hand. Breiter nahm sie und sie schüttelten sie kräftig.
    „Breiter, noch was: Es könnte sein, dass meine Frau auf Sie zukommt. Sie wären nicht der Erste und wohl auch nicht der Letzte, bei dem sie dies täte. Und wie gesagt, es wäre mir wirklich völlig egal, ja, es käme mir sogar gelegen, wenn Sie sie ein wenig glücklicher machten. Was mir nicht egal wäre, wenn Sie das Geschäft aus den Augen verlieren würden. Und wenn darüber geredet würde, und – wenn Sie sie unglücklich machen würden. Dafür ist sie, wie haben Sie gesagt, zu beeindruckend, ja, zu beeindruckend. Haben wir uns verstanden?“
    „Ja, auf das Siebenfache, Herr de Mijouter.“
    „Machen Sie sich an die Arbeit, Herr Breiter.“
    Breiter ging schnellen Schrittes in seine Büroklause, schloss die Tür hinter sich und schrie mit geballter Faust „ja, ja, ja“ in sich hinein. Dann setzte er sich in seinen Bürostuhl, schlug die Füße auf den Tisch, schaute zur Decke, grinste, kam nach vorn und trommelte wie ein Wilder auf seine Oberschenkel. Plötzlich stoppte er, nahm die Füße vom Tisch und befahl sich selbst: „Arbeiten!“
    Aus der Schublade zog er einen polarroten Karton, den er normalerweise als Farbmuster benützte, hervor und schnitt ihn in kleine Vierecke. Auf die gab er mit Farbe weiße Tupfen und als sie trocken waren, malte er kleine Hakenkreuze in jeden Tupf. Als Nächstes besorgte er sich in der Materialverwaltung Stecknadeln und eine große Deutschlandkarte.
    Die Karte hängte er an die seinem Pult gegenüberliegende Wand und aus den Stecknadeln und den kleinen Kartonfetzchen bastelte er kleine Fähnchen. Mit ihnen steckte er die Ziele in Deutschland ab: das Wiesental, quasi sein Stammland vor der Haustür, der Westen mit dem Ruhrgebiet, Mönchengladbach, Bielefeld, die bergischen Lande, Wuppertal und gegenüber der Osten mit der Oberlausitz, dem Vogtland sowie Plauen in Sachsen und andere Städtchen und Dörfer nahe der tschechoslowakischen Grenze. Und zwischen den Zentren im Osten und Westen lag Bad Hersfeld.
    So verschaffte sich Breiter einen geografischen Überblick über die Deutsche Textilindustrie des Jahres 1935.
    Klar, da und dort gab es natürlich auch noch Webereien, Spinnereien und Stickereien, aber die Zentren waren auf der Karte fein säuberlich abgesteckt.
    Dann nahm er kleine, weiße Zettel, schrieb auf einen Dreifach und steckte ihn neben dem Wiesental an, Zwölffach neben den westlichen Gebieten und Neunfach neben den östlichen. Das wäre ein Durchschnitt von Achtfach, so hätte er also noch ein wenig Reserve auf Siebenfach.
    Er betrachtete die Karte und war zufrieden. Das sollte machbar sein. Mit einem Ruck setzte er sich in Gang, packte den Laborkoffer und machte sich auf ins Wiesental, den Umsatz aufs Vierfache zu steigern, damit er im Osten und Westen ein wenig Vorsprung auf die selbstgesetzten Vorgaben bekäme.
    Nach zwei Tagen hatte er im Wiesental bereits das Vierfache an Vorbestellungen einholen können, da aufgrund der guten Beziehungen von de Mijouter zum regionalen Gauleiter die zusätzlichen Aufträge für Fahnen, Wimpel und Standarten an die dortigen Fabriken gingen und somit der Bedarf an Farbe sprunghaft anstieg.
    Drei Tage später war der neue Opel da. Breiter machte sich sofort in den Westen auf. Er musste schnell sein, schlief doch die Konkurrenz nicht. Und die von Hitler aufgenötigte Nachfrage nach der neuen Nationalflagge war riesig, war doch jeder Deutsche angehalten, an Festtagen Wohnung und Eigenheim zu beflaggen.
    Im Westen entwickelte sich der Verkauf des Gugy’schen Polarrots nicht so, wie Breiter sich das vorgestellt hatte. Die Konkurrenz war meist schon vor ihm da, oft stieß er auch auf Misstrauen und musste da und dort das Beglaubigungsschreiben

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