Polarrot
Standfestigkeit erwartet, wollte ich sagen. Aber jetzt ist sie ja da. Also dir gefällt das Fest?“
„Ja, es ist wunderbar. Für mich könnte es nicht schöner sein: der wunderbare Garten, das flackernde Licht der Fackeln, die Musik, die Beschwingtheit der Leute, die Dekoration mit den Fahnen und mit Ihnen, pardon, mit dir die Zeit einer Zigarette oder auch zweier teilen zu können.“
„Ja, rauchen wir zwei.“
„Gefällt denn Ihnen, mmh, dir etwas nicht?“
„Alles, wirklich alles, außer der Anlass.“
„Die Reichsbeflaggung. Aber davon profitieren wir doch alle!“
„Aber es gab nicht nur das Reichsbeflaggungsgesetz.“
„Meinst du das mit den Juden?“
„Ja, das mit den Juden. Gib mir noch eine Zigarette.“
Breiter gab ihr eine. Charlotte zündete sie sich mit der Glut der zu Ende gerauchten an, warf diese zu Boden und drückte sie mit dem Schuh aus.
„Und, Jacques, findest du das in Ordnung, das mit den Juden?“
„Eigentlich nein. Nein. Aber was will man machen?“
„Eben, niemand will etwas machen. Niemand findet das so ganz in Ordnung, aber niemand will etwas machen, das Geschäft geht vor.“
„Ja, aber was ist denn mit den Juden? Ich verstehe es nicht!“
„Er hasst sie. Frag mich nicht, warum und wieso, aber er hasst sie. Abgrundtief. Und weil er sie hasst, müssen wir sie auch hassen.“
„Ich musste beweisen, dass ich kein Jude bin.“
„Ich weiß. Mein Mann hat mir stolz und händereibend erzählt, dass die Gugy hundert Prozent judenfrei sei.“
„Und?“
„Ich fragte nur: Warum? Weil sie es so wollen, war seine Antwort.“
„Aber fürs Geschäft musste er es doch tun. Davon profitierst du auch.“
Sie wandte den Kopf von ihm weg und blies den Rauch in die Luft. „Jacques, ich hätte dich für klüger gehalten.“
„Das hat nichts mit klug zu tun. Es ist einfach so.“
Sie inhalierte den Rauch bis tief in die Lungenspitzen, warf die Zigarette auf den Boden und drückte sie wieder mit dem Schuh aus. Dann schaute sie ihn an.
„Ja, es ist einfach so. Es wäre auch zu viel verlangt. Gib mir noch eine.“
Breiter klaubte zwei weitere Zigaretten aus der Schachtel, hielt ihr eine hin, gab ihr Feuer und sie hielt ihre Hand um seine. Er hob seine Hand ganz leicht, so dass sie ihre berührte. Sie zog erst zurück, als die Zigarette brannte.
„Ja, es ist einfach so und ich mach auch nichts.“
„Ich denke, ich meine, im Großen kann man nichts machen und vielleicht ist es besser, nichts zu machen, vielleicht kann man dann im Kleinen eher etwas machen.“
„Du meinst, man muss so tun, als ob man mitmache, damit man nicht auffällt und so, quasi geschützt, etwas machen könnte?“
„In etwa, ja.“
„Jacques, lügen wir uns da nicht in die Tasche?“
„Vielleicht. Aber von da, wo ich herkomme, habe oder hätte ich gar keine andere Wahl.“
„Von wo kommst du denn her?“
„Da bist du ja“, hörte Breiter de Mijouters Stimme hinter dem Rücken von Charlotte, sah, wie er sie um die Hüfte fasste, sie zu sich drehte und sagte: „Darling, wir müssen den Tanz eröffnen, komm. Breiter, machen Sie auch gleich mit, schnappen Sie sich die Blaue, tanzen Sie sich die letzte Altweibersommerwärme in die Knochen, der Winter kommt bestimmt.“
Und schon entführte er Charlotte die Treppe hinunter, wies das Orchester an, einen Walzer zu spielen und drehte sich mit ihr unter den Blicken der Gäste in die Nacht hinein.
Breiter bemerkte, dass sie ihre brennende Zigarette auf der Brüstung liegen gelassen hatte. Als sie über die Schulter ihres Mannes zu ihm hochschaute, nahm er sie auf, zog daran und behielt den Rauch, so lange es ihm möglich war, in seinen Lungenflügeln.
Sie musste in den Armen von Ambros de Mijouter lachen.
Breiter lächelte zurück.
„Sie haben einen guten Eindruck, ja einen sehr guten Eindruck bei meiner Frau hinterlassen, Breiter, einen wirklich sehr guten“, sprach de Mijouter, ohne von seiner Zeitung aufzusehen, Breiter an, als dieser die schwere, gepolsterte Türe zu dessen Büro hinter sich geschlossen hatte.
„Setzen Sie sich, Sie brauchen nichts zu befürchten, ich will Ihnen nur ein paar Dinge erklären.“
De Mijouter legte die Zeitung weg, nahm einen Schluck Kaffee aus der mit dem Firmenlogo versehenen Porzellantasse und fragte Breiter, ob er auch eine Tasse Kaffee wolle. „Keinen Muckefuck, wie Sie ihn bei der Franck verkauften.“
Breiter nickte, de Mijouter ging zu einem filigranen Messinggestell mit Glasplatte, auf
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