Polarsturm
die
Polar Dawn
von den Medien verbreitet wurde. Sofort drängten sich Menschentrauben um die Fernseher am Flughafen und versuchten, die Auswirkungen dieses Vorfalls zu erfassen. Pitt blieb stehen und sah kurz zu, wie ein politischer Kommentator eine Aussetzung sämtlicher Öl-, Gas- und Stromlieferungen an die USA forderte, bis man dort Kanadas Ansprüche auf die Nordwestpassage anerkannte. Dann suchte sich Pitt eine ruhige Ecke in der Nähe eines menschenleeren Flugsteiges und wählte die Dienstnummer des Vizepräsidenten. Eine Sekretärin stellte ihn sofort durch, worauf sich James Sandecker mit gereiztem Unterton meldete.
»Machen Sie’s kurz, Dirk. Ich habe wegen dieser Sache mit Kanada alle Hände voll zu tun«, knurrte er ohne jede Vorrede.
»Ich habe die Nachricht hier in Calgary gerade gehört«, erwiderte Pitt.
»Das ist weit entfernt von Washington. Was machen Sie in Calgary?«
»Ich warte auf einen Flug nach Yellowknife. Von da aus geht’s mit einer Zubringermaschine weiter nach Tuktoyaktuk. Die
Narwhal
liegt immer noch dort im Hafen, seit sie die Überlebenden des kanadischen Eislabors aufgenommen hat.«
»Damit hat der ganze Schlamassel angefangen. Ich würde den Witzbold, der das Camp ruiniert hat, gern in die Finger kriegen. Unterdessen sollten Sie zusehen, dass das Schiff schleunigst die kanadischen Hoheitsgewässer verlässt, und dann nach Washington zurückkehren.«
»Rudi ist auf dem Rückweg nach Washington, mit der Anweisung, sämtliche Forschungsprojekte der NUMA rund um Kanada einzustellen und unsere Schiffe unverzüglich in neutrale Gewässer zu bringen. Ich habe hier einen Spezialauftrag zu erledigen, den ich persönlich zu Ende bringen muss.«
»Hat das irgendwas mit dem Forschungsprojekt zu tun, wegen dem mir Ihre hübsche Frau in den Ohren liegt?«
Gepriesen sei Loren, dachte Pitt. Sie hat sich bereits an den Alten gewandt.
»Ja. Wir müssen rausfinden, woher das Erz stammt, Admiral.«
Am anderen Ende herrschte Schweigen, aber Pitt hörte Papiere rascheln.
»Loren kann erstklassige Vorlagen schreiben«, schnaubte Sandecker schließlich. »Ich hätte sie gern in meinem Beraterstab, falls sie den Kongress mal satthaben sollte.«
»Ich fürchte, ihre Wähler lassen sie nicht gehen.«
»Dieses Ruthenium … haut das wirklich hin?«
»Ja, es ist eindeutig bewiesen. Außerdem ist noch jemand anders dahinter her, was eine weitere Bestätigung für den hohen Wert ist.«
»Wenn sich diese künstliche Photosynthese damit machen lässt, ist es unschätzbar wertvoll. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie schlimm es wegen der Energiekrise um die Wirtschaft steht. Und die Anordnung des Präsidenten, die Kohlendioxidemissionen zu reduzieren, bringt uns noch mehr in die Bredouille. Wenn wir keinen Ausweg finden, droht uns der völlige Zusammenbruch.«
»Wir müssen das Mineral finden, das könnte unsere einzige Chance sein«, erwiderte Pitt.
»In Lorens Begleitbrief steht, dass dieses Erz möglicherweise in einem Zusammenhang mit der missglückten Franklin-Expedition steht.«
»Es gibt ein paar Hinweise, die darauf hindeuten. Allem Anschein nach ist das die einzige brauchbare Spur, die zu kurzfristig verfügbaren Vorkommen führt.«
»Und Sie wollen danach suchen?«
»Ja.«
»Sie haben sich einen denkbar schlechten Zeitpunkt dafür ausgesucht, Dirk.«
»Lässt sich nicht ändern. Man muss es versuchen, es ist zu wichtig. Und wir dürfen nicht zu spät kommen. Ich wollte nur wissen, wie es mit der
Polar Dawn
weitergeht.«
»Sind Sie an einem sicheren Anschluss?«
»Nein.«
Sandecker zögerte. »Die Hühner wollen ein paar Eier legen, aber der Hahn marschiert noch im Stall herum.«
»Wann gibt es Frühstück?«
»Bald. Sehr bald.«
Pitt wusste, dass Sandecker die Generalität im Pentagon wegen der Adlerabzeichen an ihren Mützen oft als Hühner bezeichnete. Die Mitteilung war also klar. Der Verteidigungsminister drängte auf eine militärische Erwiderung, doch der Präsident war noch unentschlossen. Doch in Kürze würde eine Entscheidung getroffen werden.
»Die Forderung der Kanadier wird mit dem gebührenden Ernst behandelt«, fuhr Sandecker fort. »Sie müssen Ihr Schiff rausholen und nach Alaska rüberschaffen, vorausgesetzt, die Kanadier lassen Sie überhaupt auslaufen. Bauen Sie keinen Mist, Dirk. Ich kann Ihnen in kanadischen Hoheitsgewässern keinerlei Unterstützung zukommen lassen. Diese Sache ist wahrscheinlich in ein paar Wochen ausgestanden, dann können Sie Ihre
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