Polarsturm
lässt sich nicht öffnen, Sir. Der Hebel auf der Außenseite ist mit einer Kette gesichert. Wir bräuchten ein Schweißgerät, um sie aufzukriegen.«
»Danke, Sergeant.« Roman wandte sich an Murdock. »Gibt es einen anderen Ausweg?«
Murdock deutete auf die offene Tür an der hinteren Wand.
»Die führt bestimmt zu einer Leiter in Frachtraum Nummer eins. Dieser Kahn hat vier Frachträume, jeder so groß, dass ein Wolkenkratzer reinpasst. Vermutlich gibt es einen Gang, der vom einen zum anderen führt. Dann muss man über eine Leiter runtersteigen und über eine andere auf der gegenüberliegenden Seite wieder hoch.«
»Was ist mit den großen Lukendeckeln? Kann man die aufbrechen?«
»Niemals, nicht ohne einen Kran. Vermutlich wiegt jede um die drei Tonnen. Meiner Meinung nach haben wir bloß am Heck eine Chance. Wahrscheinlich gibt es dort einen ähnlichen Raum, von dem aus man aufs Oberdeck gelangt.« Er schaute Roman mit entschlossenem Blick an. »Aber mit einer Stiftlampe könnte die Suche eine Zeit lang dauern.«
»Bojorquez«, rief Roman. Kurz darauf tauchte der Sergeant neben ihm auf.
»Begleiten Sie den Kapitän nach hinten«, befahl Roman. »Sehen Sie zu, dass Sie einen Weg aus diesem Rattenloch finden.«
»Ja, Sir«, erwiderte Bojorquez. Dann zwinkerte er seinem Vorgesetzten zu und fragte: »Bekomme ich dafür einen Streifen?«
Roman grinste. »Mindestens einen. Und jetzt ab mit Ihnen.«
Die Männer schienen alle neue Hoffnung zu fassen, Roman eingeschlossen. Aber dann erinnerte er sich an Murdocks Bemerkung über die lange Fahrt, und ihm wurde klar, dass ihnen unter arktischen Bedingungen ein harter Kampf ums Überleben bevorstand. Er lief im Raum hin und her und überlegte, wie er verhindern konnte, dass sie alle erfroren.
56
Unterdessen saß Clay Zak auf einem bequemen Lehnstuhl auf der behaglich warmen Brücke der
Otok
und betrachtete die Eisschollen, die im Wasser vorbeitrieben. Er war sich darüber im Klaren, dass es gefährlich war, die Amerikaner gefangen zu nehmen, aber er hatte spontan gehandelt, als er sie auf den Leichter bringen und mitnehmen ließ. Er war sich noch immer nicht ganz sicher, was er mit ihnen anstellen sollte, war aber davon überzeugt, dass er einen glücklichen Fang gemacht hatte. Die Besatzung der
Polar Dawn
war ihm regelrecht in den Schoß gefallen und mit ihr die Möglichkeit, die Streitigkeiten zwischen Kanada und den USA weiter zu schüren. Die kanadische Regierung würde kochen, weil sie glaubte, die Besatzung der
Polar Dawn
wäre durch einen amerikanischen Militäreinsatz unter Verletzung der Landesgrenzen entkommen. Zak lachte beim bloßen Gedanken daran, denn ihm war klar, dass der kanadische Premierminister in absehbarer Zeit nicht mehr zulassen würde, dass auch nur ein einziger Amerikaner den Fuß in die Arktis setzte.
Das war mehr, als sich Goyette hatte erhoffen können. Der Unternehmer hatte ihm erklärt, dass der Weg zu den Schätzen der Arktis offenstünde, weil mit der zunehmenden globalen Erwärmung die Hindernisse wegschmelzen würden, die bislang den Zugang verwehrten. Goyette war mit dem Erdgasfeld im Melvillesund bereits ein großer Fund gelungen, aber er wollte auch an das Öl kommen. Schätzungen zufolge befanden sich rund fünfundzwanzig Prozent der weltweiten Ölvorkommen unter der Arktis. Durch das rasche Abschmelzen des Eispanzers konnte es jetzt von den Leuten, die den nötigen Weitblick hatten, gefördert werden.
Derjenige, der sich die Rechte zuerst sicherte, könnte sich damit eine goldene Nase verdienen, hatte Goyette gesagt. Die großen amerikanischen Öl- und Bergbauunternehmen hatten ihren Einfluss in diese Gegend bereits ausgedehnt. Goyette hatte keine Chance, mit ihnen mitzuhalten. Aber wenn sie von der Bildfläche verschwanden, sah die Sache ganz anders aus. Dann konnte Goyette große Brocken der arktischen Rohstoffressourcen in seinen Besitz bringen und als Quasi-Monopolist Milliarden damit verdienen.
Das brächte weit mehr als das Ruthenium, dachte Zak. Aber möglicherweise wollte er doppelt absahnen. Dass er das Mineral finden würde, ohne von irgendjemandem daran gehindert zu werden, war so gut wie sicher. Doch er konnte auch dafür sorgen, dass die amerikanischen Konkurrenten von weiteren Explorationen ausgeschlossen wurden. Dann würde Goyette noch tiefer in seiner Schuld stehen.
Mit zufriedener Miene blickte Zak auf das vorbeitreibende Eis und wartete darauf, dass die Royal-Geographical-Society-Inseln in Sicht
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