Polarsturm
das Periodensystem überflog, hielt sie beim fünfundvierzigsten Element inne, Rhodium, Symbol Rh. Lanes Computermodell deutete darauf hin, dass es sich bei diesem Katalysator wahrscheinlich um eine Metallverbindung handelte. Rhodium hatte sich bislang als das vielversprechendste Element erwiesen, aber es zeigte keinerlei Wirkung und darüber hinaus war es ein immens teures Metall. Ihr Projekt im Forschungslabor für Umweltschutz und neue Technologien an der George Washington University war als »ergebnisoffene Ideenstudie« bezeichnet worden, und vielleicht blieb es das auch. Doch der Nutzen, den ein Durchbruch mit sich bringen würde, wäre schlichtweg gewaltig. Es musste eine Lösung geben.
Während sie auf das Kästchen mit dem Zeichen für Rhodium starrte, bemerkte sie, dass das Element, das vorher in der Tabelle stand, als Symbol Ru hatte. Geistesabwesend schlang sie eine Locke ihres braunen Haars um den Finger und sprach den Namen laut aus. »Ruthenium.« Als Übergangsmetall aus der Platingruppe war es ein Element, das sie bislang noch nicht hatte ausprobieren können.
»Bob«, rief sie einem drahtigen Mann in einem Laborkittel zu, der ganz in der Nähe an einem Computer saß, »haben wir die Rutheniumprobe schon erhalten, die ich angefordert habe?«
Bob Hamilton wandte sich von seinem Computer ab und verdrehte die Augen. »Ruthenium. Das Zeug ist schwerer zu kriegen als ein freier Tag. Ich musste mich an mindestens zwanzig Lieferanten wenden, aber keiner hatte es auf Lager. Zu guter Letzt wurde ich an ein geologisches Labor in Ontario verwiesen, das über eine begrenzte Menge verfügte. Es hat mehr als deine Rhodiumprobe gekostet, deshalb habe ich nur zwei Unzen bestellt. Lass mich mal im Lager nachsehen, ob es schon gekommen ist.«
Er verließ das Labor und ging den Gang entlang zu einem kleinen Lagerraum, in dem besondere Materialien unter Verschluss gehalten wurden. Ein wissenschaftlicher Assistent, der hinter einem vergitterten Fenster saß, holte ein kleines Kästchen und schob es über den Schalter. Bob kehrte ins Labor zurück und stellte den Behälter auf Lisas Schreibtisch.
»Du hast Glück. Die Probe ist gestern eingetroffen.«
Lisa öffnete das Kästchen und fand mehrere kleine Splitter eines matten Metalls, die in einem Plastikbehältnis lagen. Sie nahm eines heraus, legte es auf einen Objektträger und untersuchte es unter dem Mikroskop. In der Vergrößerung ähnelte der kleine Metallsplitter einem rauen, fusseligen Schneeball. Sie maß die Masse der Probe und schob sie in das geschlossene Fach eines großen grauen Kastens, der mit einem Massenspektrometer verbunden war. Insgesamt vier Computer und mehrere Tanks mit unter Hochdruck stehendem Gas waren an das Gerät angeschlossen. Lisa setzte sich an eines der Keyboards und gab eine Reihe von Befehlen ein, die das Testprogramm einleiteten.
»Wird das dein Freifahrtschein zum Nobelpreis?«, fragte Bob.
»Wenn es klappt, wäre mir eine Eintrittskarte zu den Redskins lieber.«
Sie warf einen Blick zur Wanduhr und fragte: »Willst du Mittagspause machen? Bis die ersten Ergebnisse vorliegen, dauert es noch mindestens eine Stunde.«
»Einverstanden«, erwiderte Bob, der seinen Laborkittel abstreifte und sie zur Tür begleitete.
Nachdem sie in der Kantine ein Truthahnsandwich zu sich genommen hatte, kehrte Lisa ins Labor zurück. Kurz darauf schob Bob den Kopf um den Türrahmen und schaute sie verwundert und mit großen Augen an.
»Lisa, du solltest dir das besser mal ansehen«, stieß er aus.
Lisa folgte ihm rasch ins Labor, und einen Moment lang stockte ihr das Herz, als sie Bob zum Massenspektrometer gehen sah. Er deutete auf einen der Computermonitore, auf dem eine Reihe von Ziffern neben einem blinkenden Balkendiagramm über den Bildschirm lief.
»Du hast vergessen, die Rhodiumprobe herauszunehmen, bevor du den neuen Test hochgefahren hast. Aber schau dir die Ergebnisse an. Die Oxalatwerte sprengen jeden Rahmen«, sagte er leise.
Lisa blickte auf den Monitor und fing an zu zittern. Das Messsystem im Massenspektrometer wertete das Ergebnis der künstlich herbeigeführten chemischen Reaktion tabellarisch aus. Das Ruthenium hatte als Katalysator die Molekularbindung des Kohlendioxids gesprengt, sodass sich die Teilchen zu einer Verbindung aus zwei Kohlenstoffanteilen wiedervereint hatten, einem sogenannten Oxalat. Im Gegensatz zu den vorher von ihr verwendeten Katalysatoren waren bei der Verbindung aus Ruthenium und Rhodium keinerlei
Weitere Kostenlose Bücher