Polarsturm
bescheren wird.«
9
Clay Zak hatte die Füße auf dem Schreibtisch des Betriebsleiters liegen und las ein Buch über die Geschichte des Wilden Westens. Er warf einen Blick aus dem Panoramafenster, als die Glasscheiben unter dem Rotorengeräusch des abfliegenden Hubschraubers klirrten. Kurz darauf kam Goyette herein, dessen Miene von seiner mühsam unterdrückten Verärgerung kündete.
»Ja, ja, mein oberster Planungsdirektor«, stellte Goyette fest. »Sieht so aus, als ob Sie Ihren Abflug verpasst haben.«
»Es war ein ziemlich unbequemer Flug«, erwiderte Zak, während er das Buch in seinen Aktenkoffer legte. »Überfüllt mit all diesen Politikern an Bord. Sie sollten sich wirklich einen Eurocopter EC-155 zulegen. Ist viel schneller. Sie müssten nicht so viel Zeit für Gespräche mit den Prostituierten aufwenden. Übrigens, dieser Minister für Natur- und Bodenschätze, der kann Sie überhaupt nicht leiden.«
Ohne auf die Bemerkung einzugehen, ließ sich Goyette auf einem Ledersessel vor dem Schreibtisch nieder. »Der Premierminister wurde gerade von Elizabeth Finlays Tod verständigt. Er wurde als Bootsunfall gemeldet.«
»Ja, sie ist über Bord gefallen und ertrunken. Man sollte doch meinen, dass eine Frau mit ihren Mitteln schwimmen kann.« Er lächelte.
»Haben Sie keine Spuren hinterlassen?«, fragte Goyette mit gedämpfter Stimme.
Zak machte eine gequälte Miene. »Sie wissen doch, dass ich genau deswegen nicht billig bin. Solange ihr Hund nicht sprechen kann, wird es keinen Grund zu der Annahme geben, dass es etwas anderes als ein tragischer Unglücksfall war.«
Er lehnte sich zurück und blickte zur Decke. »Wenn Elizabeth Finlay weg ist, wird auch der Widerstand gegen Erdgas- und Ölexporte nach China aufhören.« Zak beugte sich vor und hakte bei Goyette nach. »Wie viel hätte Sie diese Gesetzesvorlage bei der Ausbeutung des Melville-Gasfeldes gekostet?«
Goyette sah dem Killer in die Augen, konnte dessen Blick aber nicht deuten. Das wettergegerbte, leicht längliche Gesicht des Mannes zeigte keinerlei Gefühlsregung. Es war ein perfektes Pokerface. Die dunklen Augen bieten keinen Einblick in seine Seele, falls er überhaupt eine hat, dachte Goyette. Einen Söldner anzuheuern war ein Spiel mit dem Feuer, aber Zak war offenbar ein diskreter Profi. Und sein Einsatz zahlte sich durch enorme Gewinne aus.
»Es ist ein nicht unbedeutender Betrag«, erwiderte er schließlich.
»Was uns zu meiner Vergütung bringt.«
»Sie werden wie vereinbart bezahlt. Die Hälfte jetzt, die andere Hälfte, sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind. Das Geld wird wie schon zuvor auf Ihr Konto auf den Cayman-Inseln überwiesen.«
»Die erste von vielen Anlaufstellen.« Zak lächelte. »Wird womöglich Zeit, dass ich nach meinem kleinen Gelege sehe und mir ein paar Wochen Urlaub in der Karibik gönne.«
»Meiner Meinung nach könnte es nicht schlecht sein, wenn Sie Kanada für eine Weile verlassen.« Goyette zögerte. Er wusste nicht recht, ob er weitermachen sollte. Der Mann leistete gute Arbeit, das musste er zugeben, und stets verwischte er seine Spuren. »Ich habe noch einen weiteren Auftrag für Sie«, sagte er schließlich. »Eine Kleinigkeit. In den Staaten. Und er erfordert keine körperliche Arbeit.«
»Worum geht es?«, fragte Zak. Bislang hatte er noch keine Bitte abgelehnt. Goyette war seiner Ansicht nach zwar ein Kretin, aber er musste doch zugeben, dass der Mann gut zahlte. Äußerst gut.
Goyette reichte ihm einen Ordner. »Sie können den Text während des Fluges lesen. Am Tor wartet ein Fahrer, der Sie zum Flughafen bringt.«
»Soll ich per Linie fliegen? Sie brauchen einen neuen Finanzdirektor, wenn das so weitergeht.«
Zak stand auf und schritt aus dem Büro, als gehörte ihm der ganze Laden, während Goyette bloß dasaß und den Kopf schüttelte.
10
Lisa Lane rieb sich die müden Augen und musterte einmal mehr das Periodensystem der Elemente, die gleiche Tabelle, die beim Chemieunterricht in fast sämtlichen höheren Schulen im ganzen Land hing. Die Biochemikerin hatte die bekannten Elemente längst auswendig gelernt und konnte sie wahrscheinlich samt Ordnungszahlen und Symbolen vor- und rückwärts aufsagen, wenn man es von ihr verlangte. Jetzt blickte sie auf die Tabelle und hoffte auf eine Anregung, irgendetwas, das sie zu einer neuen Idee anregte.
Sie suchte nach einem zuverlässigen Katalysator, mit dem man ein Sauerstoffmolekül von einem Kohlenstoffmolekül trennen konnte. Als sie
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