Polarsturm
dass die Felsen am Meeresboden größer und dichter wurden.
»Die Geologie des Meeresbodens verändert sich ebenfalls«, sagte er. »Das Profil könnte gut zu einem
Raucher
passen. Mal sehen, ob wir ihn über die Wassertemperatur aufspüren können.«
Er steuerte das Tauchboot anhand von Dahlgrens Angaben zur Wassertemperatur, die zusehends stieg, bis sie schließlich auf eine jähe Erhebung am Meeresgrund stießen. Ein hoher Berg aus Felsbrocken versperrte ihnen den Weg, worauf Giordino das Tauchboot wie ein Flugzeug hochzog, bis sie den höchsten Punkt überwunden hatten. Beim Abstieg auf der anderen Seite bot sich ihnen plötzlich ein völlig anderer Anblick. Die graue, triste Mondlandschaft verwandelte sich in eine kunterbunt schillernde Oase. Gelbe Mollusken, rote Röhrenwürmer und goldene Seespinnen tummelten sich am Meeresboden, ein blauer Tintenfisch schoss am Sichtfenster vorbei, gefolgt von einem Schwarm silbrig geschuppter Arktischer Dorsche. Von einem Moment zum anderen waren sie aus einer trostlosen, schwarz-weißen Welt in ein in sämtlichen Regenbogenfarben leuchtendes Biotop geraten, in dem es vor Leben nur so wimmelte.
»Jetzt weiß ich, wie Dorothy zumute war, als sie in Oz gelandet ist«, murmelte Dahlgren.
»Wie sieht’s jetzt mit der Wassertemperatur aus?«
»Sie steht bei zwoundzwanzig Grad und steigt weiter. Glückwunsch, Boss, du hast dir gerade eine Thermalquelle gekauft.«
Giordino nickte befriedigt. »Markier unsere Position. Danach probieren wir mal den Mineralienschnüffler, bevor …«
Plötzlich knisterte es im Funkgerät, als über zwei Unterwassertransponder Verbindung mit ihnen aufgenommen wurde. »
Narwhal
an
Bloodhound … Narwhal
an
Bloodhound
«, unterbrach ihn eine angespannt klingende Stimme. »Bitte sofort aufsteigen. Seegang liegt bei drei Meter und wird rasch höher. Ich wiederhole, ihr werdet angewiesen, sofort aufzusteigen.«
»… bevor Rudi uns heimruft«, sagte Dahlgren und brachte Giordinos Satz zu Ende.
Giordino grinste. »Schon mal bemerkt, dass Rudis Stimme zwei Oktaven höher wird, wenn er nervös ist?«
»Als ich beim letzten Mal drauf geachtet habe, hat er gerade meine Gehaltsüberweisung unterschrieben«, warnte Dahlgren.
»Ich nehme an, wir wollen den Lack an unserem neuen Baby nicht zerkratzen. Lass uns erst noch schnell ein paar Gesteinsproben schnappen, dann können wir auftauchen.«
Dahlgren funkte Gunn eine Antwort und griff dann zur Steuerkonsole für einen Gelenkarm, der in Ruhestellung senkrecht an der Außenhülle des Tauchboots angebracht war. Giordino lotste die
Bloodhound
zu einer Reihe etwa pampelmusengroßer Brocken, bis der mit Sensoren gespickte Bug über dem Gestein schwebte. Dahlgren, der den Edelstahlarm wie einen Besen bediente, fegte mehrere Steine in einen unter der elektronischen Schnauze angebrachten Korb, worauf der Bordcomputer binnen kürzester Zeit die Dichte sowie die magnetischen Eigenschaften der Proben untersuchte.
»Eine vulkanische Verbindung, offenbar Pyroxene. Ich erkenne Mangan- und Eisenkonzentrationen. Außerdem werden Nickel, Platin und Kupfersulfide angezeigt«, berichtete Dahlgren, während er die Computerangaben studierte.
»Das ist ja ein ziemlich hochoktaniger Auftakt. Schenk dir die Auswertung. Wir lassen die Proben von den Jungs im Labor knacken, dann werden wir sehen, wie genau unsere Sensoren sind. Sobald der Sturm vorbei ist, nehmen wir uns die Stelle noch mal gründlich vor.«
»Die sieht gut aus.«
»Ich bin immer noch ein bisschen enttäuscht, mein westtexanischer Freund«, erwiderte Giordino kopfschüttelnd.
»Kein Gold?«
»Kein Gold. Ich glaube, mehr als deine Goldplomben bring ich nicht nach oben mit.«
Zu Dahlgrens Leidwesen hallte Giordinos Gelächter bis kurz vor dem Auftauchen von den Innenwänden des Tauchboots wider.
25
Winde, die fast Orkanstärke erreichten, peitschten dreieinhalb Meter hohe Wellen auf der Beaufortsee auf, als die
Bloodhound
im Moon Pool der
Narwhal
auftauchte, die sich stampfend und rollend durch den immer höheren Seegang kämpfte, sodass das Wasser im Pool übers Deck schwappte. Zweimal schlug das Tauchboot seitlich an die gepolsterte Wand, bevor die Hebetrossen eingehakt und das Unterwasserfahrzeug herausgehievt werden konnte. Giordino und Dahlgren stiegen aus der
Bloodhound
, holten rasch ihre Gesteinsproben und flüchteten dann vor den Elementen in die Einsatzzentrale. Gunn erwartete sie stehend und mit missbilligender Miene.
»Das ist ein zehn
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