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Polarsturm

Polarsturm

Titel: Polarsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Dirk Cussler
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Packeis näherten und damit der gemeldeten Position des Camps, denn immer größere Eisbrocken trieben vor der
Narwhal
im Wasser. Inzwischen war die gesamte Besatzung von dem Rettungsmanöver verständigt worden: Über ein Dutzend Wissenschaftler gesellten sich zu den Seeleuten ans Oberdeck und trotzten gemeinsam mit ihnen den Elementen. In Schlechtwetterkleidung säumten sie die Reling des bedrohlich stampfenden Schiffes und suchten die See nach ihren kanadischen Kollegen ab.
    Die
Narwhal
erreichte die Position, die von den Bewohnern des Camps durchgegeben worden war, und Stenseth brachte sie bis auf dreißig Meter an die geschlossene Eisdecke heran. Langsam fuhr das Forschungsschiff an der schrundigen Kante entlang und wich zahlreichen Eisbergen aus, die dort gerade erst abgebrochen waren. Der Kapitän ließ sämtliche Lichter an Bord einschalten und ein ums andere Mal die ohrenbetäubende Kahlenberg-Schiffssirene betätigen, um ein Notrufsignal auszusenden. Der Wind flaute ein wenig ab, sodass man trotz des wirbelnden Schnees hin und wieder etwas erkennen konnte, und aller Augen suchten das Packeis und das mit Eisschollen übersäte Wasser nach Spuren des Camps oder seiner Bewohner ab. Doch nirgendwo war auch nur das Geringste zu sehen, als sie über die gemeldete Position trieben. Wenn hier mal irgendetwas gewesen war, dann lag es jetzt sechshundert Meter unter dem grauen Wasser.
28
    Kevin Bue hatte mit ansehen müssen, wie ihre letzte Zufluchtsstätte dahingeschmolzen war – von der einst schlachtschiffgroßen Eisscholle war jetzt nur noch ein kleines Haus übrig. Die fortwährend anbrandenden Brecher zerrten und schabten an dem Eisberg, der in immer kleinere Teile zersprang, die anschließend wieder zertrümmert und zermahlen wurden. Und umso kleiner ihr eisiges Floß wurde, desto wilder wurde die Fahrt, als sie immer weiter in die Beaufortsee hinaustrieben. Der schrumpfende Eisberg schlingerte und schwankte im brodelnden Seegang, und ein ums andere Mal schwappten die Wogen über die tiefer gelegenen Stellen. Bue, der vor Kälte schlotterte, stellte fest, dass er jetzt auch noch seekrank wurde.
    Doch wenn er sich die beiden neben ihm ansah, konnte er sich kaum beklagen. Quinlon war so unterkühlt, dass er jeden Moment das Bewusstsein verlieren mochte, und Case ging es offenbar ähnlich. Der Funker hockte eingerollt da und starrte mit glasigen Augen ins Leere. Bue hatte mehrmals versucht, mit ihm ins Gespräch zu kommen, doch mehr als einen müden Blick hatte er ihm nicht entlocken können.
    Bue dachte daran, Quinlon die Parkas auszuziehen, damit er und Case es etwas wärmer hatten, überlegte es sich aber anders. Quinlon war zwar so gut wie tot, aber ihre Aussichten waren auch nicht viel besser. Bue starrte auf das aufgewühlte graue Wasser, das ihr eisiges Floß umgab, und überlegte, ob er sich ins Meer stürzen sollte. Es wäre wenigstens ein schnelles Ende. Er verwarf den Gedanken jedoch, als er zu dem Schluss kam, dass es zu viel Kraft kosten würde, die zehn Schritte bis zur Kante zu gehen.
    Eine große Welle schaukelte das Eisfloß durch, und gleichzeitig hörte er ein jähes Knacken unter seinen Füßen. Mit einem Mal tauchte ein Riss unter seinem aus dem Schnee gegrabenen Sitzplatz auf, der sich rasch durch den ganzen Berg zog. Bei der nächsten anbrandenden Woge brach ein ganzes Stück unter ihm weg und verschwand in der dunklen See. Bue hielt sich instinktiv an der glatten Wand des Schneehaufens fest und setzte einen Fuß auf den schmalen Sims, auf dem Quinlon lag. Case, der auf der anderen Seite saß, rührte keinen Finger, als Bue sich verzweifelt am Eis festklammerte und nur ein paar Handbreit über dem Wasser hing.
    Bue, dessen Herz nun wie wild schlug, grub die Finger in die Eiswand und zog sich langsam auf den verbliebenen Schneehaufen hinauf. Ihre Zuflucht war mittlerweile auf die Ausmaße eines Kleinbusses geschrumpft und trieb heftig schaukelnd durch die raue See. Mühsam hielt sich Bue auf dem schwankenden Hügel fest, der jeden Moment umkippen und die drei Männer ins eisige Wasser und den sicheren Tod schleudern konnte. Er wusste, dass es jetzt nur noch eine Frage von Minuten sein konnte, bis ihre wilde Fahrt zu Ende ging.
    Dann sah er durch den vom Wind gepeitschten Schnee ein helles Licht, das wie die Sonne nach einem Regenguss aufstrahlte. Es blendete ihn, und er kniff die Augen zu. Als er sie wieder öffnete, war das Licht verschwunden. Er sah nur noch das trockene weiße Eis, das

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