Polarsturm
den zehnten Stock und begab sich in die Computerzentrale. Dort befand sich eine eindrucksvolle Reihe modernster Rechner und Speicherkapazitäten, die eine weltweit unübertroffene Menge an Daten über sämtliche Ozeane verarbeiteten und verwalteten, darunter Angaben zu Strömungsverhältnissen, Gezeiten und Witterungsbedingungen aus jedem größeren Gewässer rund um den Globus, wo sie von Bojen ermittelt und über Satelliten in Echtzeit in die Zentrale gesendet wurden. Außerdem waren in den Computern Unmassen von Forschungsmaterial über Ozeanografie und Meeresbiologie erfasst, sodass man jederzeit Zugang zu den neuesten Forschungsergebnissen hatte.
Pitt sah einen Mann mit Pferdeschwanz an einer großen Konsole sitzen und mit einer attraktiven Frau streiten, die ein paar Schritte vor ihm stand. Hiram Yeager war der Schöpfer der Computerzentrale der NUMA und ein ausgewiesener Experte in Sachen Datenverarbeitung. Trotz seiner ausgefallenen Kleidung, eines kunterbunten T-Shirts, Jeans und Cowboystiefel, war er ein hingebungsvoller Familienvater, der seine beiden halbwüchsigen Töchter abgöttisch liebte. Pitt wusste, das Yeager immer das Frühstück für seine Frau und die Töchter machte, sich nachmittags des Öfteren zu Fußballspielen und Konzertveranstaltungen davonstahl und die verlorene Zeit abends nachholte.
Als Pitt zu ihm ging, bewunderte er wie immer die Frau, mit der sich Yeager stritt, war sie doch ein Hologramm, das bemerkenswert lebensecht wirkte. Yeager hatte die holographische Frauengestalt, die seiner Frau nachempfunden war und liebevoll Max genannt wurde, höchstpersönlich als Computerinterface entworfen, über das er Zugang zu seinem großen Netzwerk hatte.
»Mr. Pitt, können Sie Hiram bitte aufklären«, sagte Max, die sich an Pitt wandte. »Er will mir nicht glauben, dass die Handtasche einer Frau zu ihren Schuhen passen sollte.«
»Wenn Sie es sagen. Ihnen vertraue ich doch immer«, erwiderte Pitt mit einem Nicken.
»Danke. Da hast du es«, sagte sie und wandte sich wieder an Yeager.
»Ist ja gut«, erwiderte Yeager und hob die Hände. »Du bist mir eine schöne Hilfe auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für meine Frau.«
Yeager drehte sich zu Pitt um. »Ich hätte sie niemals so programmieren dürfen, dass sie sich auch noch wie meine Frau streiten kann«, sagte er kopfschüttelnd.
Pitt setzte sich zu ihm. »Du wolltest sie doch so lebensecht wie nur möglich haben«, gab er lachend zurück.
»Willst du noch etwas anderes mit mir bereden als Damenmode?«, fragte er.
»Eigentlich möchte ich, dass mir Max bei ein paar mineralogischen Fragen hilft.«
»Ein sehr willkommener Themenwechsel«, erwiderte Max, die Yeager einen hochnäsigen Blick zuwarf. »Ich helfe Ihnen mit Vergnügen, Direktor. Was möchten Sie denn wissen?«
»Zunächst mal: Was können Sie mir über das Mineral Ruthenium sagen?«
Max schloss für einen Moment die Augen, dann legte sie los. »Ruthenium ist ein silbrig-weißes Übergangsmetall aus der Platingruppe, das wegen seiner Härte bekannt ist. Es ist das fünfundvierzigste Element und trägt das Symbol Ru. Der Name stammt vom lateinischen Wort
rus
, aus dem sich auch Russland ableitet. Ein russischer Pharmazeut und Chemiker namens Karl Ernst Claus entdeckte es im Jahr 1844.«
»Wozu wird dieses Mineral gebraucht oder hauptsächlich verwendet?«, fragte Pitt.
»Seine Eigenschaften als Härtemittel, vor allem in Verbindung mit anderen Elementen wie zum Beispiel Titan, wurden in der Industrie sehr geschätzt. Durch Engpässe bei der Beschaffung kam es in jüngster Zeit allerdings zu starken Preissteigerungen, durch die Hersteller gezwungen waren, auf andere Stoffe umzusteigen.«
»Wie teuer kann es sein?«, fragte Yeager.
»Es ist eines der seltensten Mineralien, die man auf der Erde findet. Die jüngsten Spotmarktpreise lagen bei über zwölftausend Dollar pro Unze.«
»Wow«, rief Yeager. »Das ist ja zehnmal so teuer wie Gold. Ich wünschte, ich hätte eine Rutheniummine.«
»Hiram regt uns da zu einer guten Frage an«, sagte Pitt. »Wo wird das Zeug abgebaut?«
Max runzelte einen Moment lang die Stirn, während ihre Computerprozessoren die Dateien durchforsteten.
»Das Angebot ist derzeit sehr unsicher. Im letzten Jahrhundert kam Ruthenium überwiegend aus dem Ural und aus Südafrika. In einem einzigen Bergwerk in Bushveld, Südafrika, wurden annähernd zehn Tonnen pro Jahr abgebaut, aber der Ertrag erreichte in den 1970er-Jahren seinen
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