Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
hatten. Und er fuhr für Luxemburg. Auch das sparte Geld. Aber er fuhr. Ohne Kart-Erfahrung ist es schon lange schwer, in der Formel 1 groß herauszukommen. Nigel Mansell fuhr Kart. Alain Prost kam mit vierzehn dazu, während eines Familienurlaubs. Nelson Piquet trat im gleichen Alter zu den ersten Rennen an – unter dem Mädchennamen seiner Mutter, weil sein Vater, ein Politiker, der es zum Gesundheitsminister gebracht hatte, von dem Sport nichts hielt. Der letzte Formel-1-Weltmeister, der nicht im Kart gesessen hatte, war 1996 Damon Hill, der Sohn von Graham Hill, der 1962 und 1968 als Weltmeister gekürt worden war. An den Hills lässt sich besonders gut illustrieren, wie sich der Sport gewandelt hat, wie er immer früher immer größere Hinwendung erfordert. Graham Hill, Jahrgang 1929, bestand erst mit 24 seine Führerscheinprüfung. Eigentlich hatten es ihm Motorräder angetan, aber als er das Angebot sah, in Brands Hatch für einige Shilling Runden drehen zu dürfen, war es schnell um ihn geschehen. Er begann als Mechaniker beim Team Lotus. Mit viel Überzeugungsarbeit schaffte er es, sein Können im Cockpit demonstrieren zu dürfen. Beim Großen Preis von Monaco 1958 gab er sein Debüt als Grand-Prix-Fahrer. Da war er bereits 29. Trotzdem brachte er es noch weit. Neben zwei Formel-1-Titeln gewann er 1966 das 500-Meilen-Rennen in Indianapolis und 1972 das 24-Stunden-Rennen in Le Mans.
Wie poetisch sich die Sache damals noch angehen ließ, zeigt ein Ausspruch: »Ich bin der Künstler, die Strecke ist meine Leinwand, und das Auto ist mein Pinsel«, behauptete Graham Hill. Im November 1975 kam er ums Leben, als sein Privatflieger auf dem Rückweg von Testfahrten in Frankreich beim Landeanflug auf den Flughafen von Elstree im dichten Nebel abstürzte. Sein Sohn Damon war da 15. Auch ihn faszinierten Motorräder, aber erst mit 23 stürzte er sich in Rennen. Seine Mutter, die Angst um ihn hatte, überredete ihn daraufhin, den Kick doch bitte zumindest mit zwei Rädern mehr zu suchen. So kam Damon Hill zu dem, in dem er mit 36 als der Beste geehrt werden sollte: zum Formel-1-Fahren. Inzwischen versucht sich die dritte Hill-Generation in der Disziplin. Josh Hill, Jahrgang 1991, begann mit 16, Autorennen zu bestreiten – so jung, wie noch kein Hill vor ihm. Und trotzdem ahnt nicht nur sein Vater: Für eine Formel-1-Karriere könnte es eng werden. Es fehlt die Kart-Erfahrung.
Die Tricks mit den kleinen Flitzern sind die gleichen wie später mit den großen. Angreifen, verteidigen, die Linien erkennen und sein Auto auf ihnen positionieren – Wissen, das in die Instinkte übergeht. Wie bei Fußballspielern oder Skirennläufern. Früh vergleichen sich die Talente auch international. Sebastian Vettel ist zwölf, als er beim Torneo delle Industrie in Parma Dritter wird. Sein erster internationaler Erfolg. Zwei Jahre später gewinnt er das traditionsreiche Rennen in Paris–Bercy und den Monaco-Kart-Cup. In Saint Amand in Frankreich und in Thy in Dänemark geht es an zwei Tagen im Juli und im August um den Europameistertitel. 87 Fahrer aus 21 Ländern treten an. Es gibt vier Rennen. Im ersten wird Sebastian Vettel Zweiter, das zweite gewinnt er. Im ersten Lauf in Dänemark wird er Dritter, im Vierten demonstriert er erneut sein außergewöhnliches Talent. Zwischenzeitlich auf den achten Platz zurückgefallen, lenkt Sebastian Vettel sein Kart im Regen auf profillosen Reifen auf den zweiten Platz. Mit zehn Punkten Vorsprung wird er Europameister. Am Ende der Saison wird er dafür zur glamourösen Preisverleihung des Automobilweltverbandes nach Monte Carlo eingeladen. Allein die Übernachtung im mondänen Hotelzimmer ist 500 Euro wert. Als Sebastian Vettel von dort aufs Mittelmeer schaut und auf die Straßen, auf denen jedes Jahr der berühmte Formel-1-Grand-Prix stattfindet, sagt er zu seinem Vater: »Papa, da haben wir doch schon was hingebracht.« Ein Gipfel ist erreicht. Im Kart können die Erfolge kaum noch größer werden. Die nächstgrößere Herausforderung steht an.
Deutschstunde
In der Formel-1-Geschichte hat es viele Phasen gegeben, in denen einzelne Nationen herausstachen. Nicht nur, was die Klasse der Piloten betraf, vor allem, in welcher Masse sie in der Rennserie antraten. 1964 fuhren neun Briten in die Punkteränge, 1968 auch. Zwischen 1977 und 1981 waren stets mindestens fünf Franzosen am Start, der Italiener Michele Alboreto duellierte sich 1988 sogar mit zehn Landsmännern. In Deutschland waren die
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