Polgara die Zauberin
lenken. Ich wollte ihnen keinen Raum für Spekulationen lassen. Alle sollten das Ereignis, das stattfinden würde, auf eine bestimmte Weise auslegen.
Dann holte ich noch einmal tief Luft und trat auf den Gang, der zum Thronsaal führte.
In der düsteren Eingangshalle zum großen Saal blieb ich kurz stehen, um mich zu vergewissern, daß jeder seinen Platz eingenommen hatte. Mangaran befand sich links vom Thron. Oldoran, den Blick leer und stumpf, saß auf seinem gewohnten Platz. Der Murgo in dem gelben tolnedrischen Mantel stand mit scheinbar gelangweilter Miene hinter dem rechten Ellbogen des berauschten Herzogs. Seine Augen hingegen bewegten sich ständig. Lammer vermochte ich oben auf der dunklen Galerie nicht zu entdecken, aber das sollte ich ja auch nicht. Ich schickte einen kurzen Suchgedanken aus, dann entspannte ich mich. Lammer war dort, wo er sein sollte. Die leichtfertige Asrana befand sich nicht weit vom Thron entfernt, und sie sprühte nur so vor Lebenslust. Die Spannung des Augenblicks hatte sie noch munterer als gewöhnlich gemacht.
Alles war also an seinem Platz. Wir waren bereit.
Ich trat durch das Portal und hielt inne, den Blick unmittelbar auf den Burschen im gelben Mantel neben dem Herzog gerichtet. Krachack hatte mich im selben Moment erkannt, als er mich erblickt hatte, und ich hoffte, daß dieser Murgo das ebenfalls täte.
Dann, während seine Augen ihm noch aus dem Kopf traten, schritt ich in den Raum, so daß jeder mich deutlich sehen konnte. Mein Gewand war dazu geschaffen, Aufmerksamkeit zu erregen, und es funktionierte noch immer. Köpfe fuhren herum. Leute brachen ihre Gespräche mitten im Satz ab, um mich anzustarren. Lammers Bogensehne schwirrte.
Der Pfeil mit der Stahlspitze machte ein knirschendes Geräusch, als er sich mitten in die Stirn des Murgos grub. Die Entfernung war nicht sehr groß, und Lammers Bogen stabil gebaut. Der Pfeil bohrte sich durch das Gehirn des Murgos und trat an seinem Hinterkopf einen Fuß weit heraus. Er sah ein bißchen merkwürdig aus mit den Pfeilfedern, die seine Stirn schmückten. Sein Körper wurde steif, und er bäumte sich auf.
»Mörder!« rief ich, wobei ich meiner Stimme solche Kraft verlieh, daß mich wahrscheinlich noch die Wächter auf den Zinnen hörten. »Bringt den Herzog in Sicherheit!«
Und so stürzte ich die Regierung von Asturien. Ein Pfeil, ein Schrei, und alles war vorbei. Die guten Ideen sind immer einfach.
Der falsche Tolnedrer taumelte noch langsam nach hinten, als Mangaran sich auch schon in Bewegung setzte. »Zum Herzog!« brüllte er. »Schirmt ihn mit euren Körpern!«
Zuerst hielten die erschrockenen Höflinge sich vornehm zurück. Die Möglichkeit weiterer Pfeile war nicht auszuschließen, und nur sehr wenige in dem Saal hatten Oldoran so gern. Doch Mangaran hatte sich bereits mit seinem Körper über den verwirrten Herzog geworfen, und andere hasteten herbei, um es ihm gleich zu tun. Andere Höflinge zückten ihre Schwerter und sahen sich nach jemandem um, den sie durchbohren konnten.
Asrana kreischte in einem meisterhaft inszenierten hysterischen Anfall.
Rasch umging ich die Menge und eilte in Richtung der Tür hinter dem Thron. »Hier entlang, Mylord Mangaran!« rief ich. »Bringt den Herzog hierher! Der Rest von euch bewacht diese Tür! Hier ist Verrat am Werk!« Das wollte ich doch ein für allemal klarstellen.
Dann setzte ich dem bestürzten Oldoran eine häßliche Illusion direkt vor die Augen, und er war der einzige, der sie sehen konnte. Er begann in höchstem Entsetzen zu kreischen und zu schnattern, als mehrere Höflinge ihn unsanft hochrissen und Graf Mangaran zu der Tür folgten, in der ich stand. Ich verstärkte die Illusion vor den herzoglichen Augen, und sein Kreischen wurde immer lauter, während er sich loszureißen versuchte. Ich wollte unter allen Umständen, daß dieses Kreischen anhielt.
»Soll ich jetzt die Erklärung abgeben?« murmelte Graf Mangaran mir zu, während er die Schar von Männern, die den Herzog trugen, durch die Tür winkte.
»Noch nicht«, gab ich zurück. »Laßt ihn noch ein Weilchen kreischen. Ich bin in wenigen Minuten bei Euch, um ihn zu untersuchen.« Ich ließ sie durch die Tür, um diese dann entschlossen zuzuziehen und mich mit dem Rücken dagegenzustemmen. »Findet den Mörder!« befahl ich. »Bringt ihn zur Strecke!«
Jetzt hatte jeder, der nicht mit der Bewachung der Tür beschäftigt war, etwas zu tun. Eine rasche Gedankensuche hatte ergeben, daß Lammer das Palastareal
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