Polgara die Zauberin
kümmerlicher Rest ihrer einstigen selbst, und seine Nieren standen im Begriff, endgültig die Arbeit einzustellen. Die Arterien waren fast vollständig verstopft, und das Herz würde ihm bald den Dienst versagen. Meine ursprüngliche Einschätzung, er habe noch höchstens sechs Monate zu leben, erwies sich möglicherweise als ein bißchen zu optimistisch.
»Sehr wohl, Lord Mangaran«, erklärte ich mit Rücksicht auf die anderen in dem Zimmer in nüchternem Tonfall. »Ich habe meine Untersuchung abgeschlossen. Der Zustand seiner Gnaden ist ernst – höchstwahrscheinlich sogar kritisch. Er benötigt völlige Ruhe. Bis zu seiner Genesung muß ein anderer seine Pflichten wahrnehmen.«
»Ich werde den Hof davon in Kenntnis setzen, Mylady«, versicherte er mir. Er sprach ebenfalls für die anderen in dem Raum. »Aber ich bin kein Arzt. Dürfte ich Euch ersuchen, dem Hof den Gesundheitszustand Seiner Gnaden zu schildern?«
»Selbstverständlich, Mylord.« Dann stellten wir uns dem Tumult im Thronsaal, nicht ohne die Tür einen Spalt offenstehen zu lassen, so daß man Oldorans Kreischen dort auch richtig hören konnte.
Mangaran schritt zum Thron, warf einen flüchtigen Blick auf den ausgestreckt am Boden liegenden Murgo in dem tolnedrischen Mantel und erhob die Stimme, um sich an die Menge zu wenden. »Mylords und Myladys«, begann er im Tonfall gespielter Besorgnis, »der Zustand Seiner Gnaden ist wie ich fürchte, weitaus ernster, als wir dachten. Der Schock dieses verabscheuungswürdigen Anschlags auf sein Leben hat eine Krankheit zum Ausbruch gebracht die keiner von uns vermutet hätte.« Er setzte eine Miene des Bedauerns auf. »Ich bin nicht sehr bewandert in der Funktionsweise des menschlichen Körpers«, gab er zu. »Ich weiß nicht genau, auf welchen Bahnen mein Blut durch meinen Körper strömt. Glücklicherweise zählt einer der Gäste in Vo Astur zu den besten Ärzten der Welt. Sie hat Seine Gnaden untersucht und gewisse Schlüsse gezogen, die uns mitzuteilen sie sich bereit erklärt hat. Der Ruf besagter Dame ist so groß, daß gewiß die meisten von Euch bereits von ihr gehört haben. Mylords und Ladies, darf ich Euch Lady Polgara vorstellen, die Tochter Belgarath' des Zauberers.«
Es gab die üblichen Laute des Erstaunens – und der Ungläubigkeit –, gefolgt von zweifelhaftem Applaus.
Ich trat an Mangarans Seite. »Mylords und Ladies«, begann ich. »Ich hatte nicht beabsichtigt meine Anwesenheit hier am Hof von Vo Astur publik zu machen, doch die augenblickliche Krise zwingt mich, mein Inkognito aufzugeben und Euch gewisse Dinge zur Kenntnis zu bringen. Seine Gnaden ist ernsthaft erkrankt und dieser herzlose Angriff auf sein Leben hat seinen Gesundheitszustand auf ernstzunehmende Weise verschlechtert.« Ich legte eine Pause ein – vielleicht ein bißchen theatralisch, nehme ich an. »Wie Ihr hören könnt ist der Herzog im Augenblick ein wenig außer sich.« Ich warf einen Blick in Richtung der Tür, hinter der Oldoran noch immer kreischte. »Seine Gnaden leidet an einer seltenen Krankheit namens interstitielle konjunktive Morbialis, die nicht nur den Körper, sondern auch den Geist in Mitleidenschaft zieht. Seine Gnaden steht unmittelbar vor dem physischen und mentalen Kollaps.«
Macht euch nicht die Mühe, auf der Suche nach der ›interstitiellen konjunktiven Morbialis‹ medizinische Nachschlagwerke zu wälzen. Ihr werdet sie nicht finden, denn sie ist purer Unfug, den ich in genau diesem Moment erfunden habe.
Aber es klingt schön grauenhaft, findet ihr nicht auch?
»Besteht Hoffnung auf Heilung, Lady Polgara?« fragte Asrana mich.
»Das vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen«, erwiderte ich. »Das Leiden ist so selten, daß es vermutlich nicht mehr als ein halbes Dutzend Fälle gegeben hat, seit das Übel vor mehr als einem Jahrhundert entdeckt wurde.«
»Welche Behandlungsmethoden würdet Ihr empfehlen, Lady Polgara?« verlangte Mangaran von mir zu erfahren.
»Der Herzog braucht absolute Ruhe«, erklärte ich. »Ich rate dazu, ihn aus dem Palast und an einen sicheren Ort zu verbringen, wo er sicher vor weiteren Anschlägen auf sein Leben und ungestört ist. Wenn er hier im Palast bleibt, werden die Staatsgeschäfte ihn unweigerlich belasten, und er wird sterben.«
»Sterben?« keuchte Asrana. »So ernst steht es um ihn?«
»Vermutlich noch ernster«, entgegnete ich. »Sein Leben hängt an einem seidenen Faden.« Ich wandte mich an Graf Mangaran. »Gibt es hier in der Nähe einen Ort, wohin
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